Über Gebühr

Ab dem 1. Januar gibt es keine Ausreden mehr – die Haushaltsabgabe ist da. Jeder Deutsche wird zur Kasse gebeten – egal, ob man einen Fernseher/Radiogerät besitzt oder nicht. Ist das öffentlich-rechtliche Rundfunksystem noch zeitgemäß?

Als freier Mitarbeiter einer öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt komme ich mit vielen spannenden Menschen in Kontakt: mit Ministern und Ministerpräsidenten, mit Bischöfen und Kardinälen, mit Gewerkschaftsführern und Arbeitgeberpräsidenten. Aber nichts ist spannender, als sich mit „normalen“ Menschen zu unterhalten, mit Menschen, die nicht im Scheinwerferlicht arbeiten, Menschen wie Du – aber eben nicht wie ich.

Dabei stellt man schnell fest, dass nicht nur die Tageszeitung in den vergangenen Jahren als Informationsmedium an Bedeutung verloren hat. Auch das „Leitmedium“ Fernsehen steht an der Schwelle einer gewaltigen Umwälzung: „Ich schau eigentlich kaum noch fern“ sagen vor allem jüngere Menschen, oder auch: „Ich habe gar keinen Fernseher mehr“. Die oft strapazierte Redewendung „Wenn etwas wichtig ist, wird es mich schon finden“ ist bereits Realität.

Gewaltige Umwälzungen

Wer immer noch glaubt, der Medienwandel macht vor dem Fernsehen halt, der wird schon bald sein lachsrosa Wunder erleben. Die steigende TV-Nutzung in Deutschland ist heute überwiegend der Demographie geschuldet. Betrachtet man das Medienverhalten der jüngeren Generationen (mit „jünger“ sind Zuschauer unterhalb des öffentlich-rechtlichen Senderdurchschnitts von 60 gemeint), so erleben wir seit Jahren eine gravierende Verschiebung weg vom linearen Fernsehen, hin zum Ort-, Zeit- und Mediengefäß-unabhängigen Internet.

Quelle: economist.com

Nicht nur, dass das Medium Fernsehen an Reiz verliert, die Jungen wenden sich in Scharen von den Öffentlich-Rechtlichen ab (siehe dazu: Wie das Fernsehen die Jungen diskriminiert). Weil man dieses Problem durchaus erkannt hat, reagieren die Senderverantwortlichen, in dem sie nach zeitgemäßen Formaten Ausschau halten. Auf den Erfolg der ZDF-heute-show antwortet die ARD kommende Woche mit dem Comedy-Format „Das Ernste“. Nach dem respektablen Start von ZDFneo diskutieren ARD und ZDF aktuell über die Neugründung eines gemeinsamen Jugendkanals.

Das alles kostet Geld. Geld, das bei den Öffentlich-Rechtlichen reichlich vorhanden ist. Rund 7,5 Milliarden Euro fließen Jahr für Jahr in die Sendeanstalten. Mit der Einführung der Haushaltsabgabe ist es ARD und ZDF gelungen, sicherzustellen, dass die Gebührengelder auch dann noch kommen, wenn das Internet den Fernseher und das Radiogerät als primäres Empfangsgerät abgelöst hat.

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Gebühren-Schwarzbuch

Pünktlich zur Umstellung von der Rundfunkgebühr auf die Haushaltsabgabe (Raider heisst jetzt Twix und die GEZ künftig „Beitragsservice“) hat der Handelsblatt-Journalist Hans-Peter Siebenhaar das Buch „Die Nimmersatten“ (Amazon-Affiliate Link) veröffentlicht, eine Abrechnung mit dem „System ARD und ZDF“. Auf 215 Seiten (netto) geht er mit den Öffentlich-Rechtlichen hart ins Gericht, listet Fälle der Korruption und der Verschwendung von Gebührengeldern auf, nennt Beispiele für Vetternwirtschaft und mangelnde Transparenz.

Ich habe mich mit Siebenhaar getroffen, um mit ihm über sein Buch und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu diskutieren. Zu dem Zeitpunkt hatte ich es leider noch nicht komplett zu Ende gelesen, was schade war, weil einige Fragen, die der Medienjournalist aufwirft, in vielerlei Hinsicht diskussionswürdig sind.

Alles schlecht

Das Buch prangert Missstände an, verstrickt sich dabei aber auch in Widersprüche. So werden reihenweise Misserfolge von ARD und ZDF aufgeführt (z.B. ineffektive Studiobetriebe, erfolglose Sendungen), die als Beleg dafür herhalten sollen, wie bei den Öffentlich-Rechtlichen Geld verbrannt wird. Umgekehrt werden Erfolge vermeldet (z.B. kostengünstiges Outsourcing, lukrative Lizenzgeschäfte), die dem Autor dann aber auch wieder nicht recht sind. Man solle gefälligst nicht nach der Quote schielen und schon gar keine Gewinne erwirtschaften. Das sei Aufgabe der Privaten. Quote = schlecht. Keine Quote = auch schlecht. Mittelmaß = ganz schlecht. Ja was denn nun?

Lang und breit wird das Schunkelfernsehen und der fehlende Innovationsmut der Sender kritisiert. Vielversprechende Formate wie „Roche und Böhmermann“ auf ZDFneo kultur werden als primitiv und schlüpfrig dargestellt. Völlig außer acht gelassen dabei wird, dass das Programm von ARD und ZDF zwar vielleicht nicht immer das frischeste und originellste ist, im internationalen Vergleich aber durchaus als hochwertig und zuverlässig bezeichnet werden muss. Wer wie ich viel in der Welt herumkommt, wird mir hier sicher rechtgeben.

Fazit

In einem Satz lässt sich das gesamte Buch wie folgt zusammenfassen:

(tl;dr) „ARD und ZDF könnten mit weniger Geld besseres Programm machen.“

Persönlich würde ich diese Aussage gerne wie folgt ergänzen: …es könnte aber auch um einiges schlechter sein!

Als freier Mitarbeiter eines öffentlich-rechtlichen Senders bin ich natürlich befangen. Deshalb die Frage an Euch: Sind ARD und ZDF ihr Geld wert? Haltet Ihr das System der öffentlich-rechtlichen Programme für gerechtfertigt?