Jeff Jarvis – am Rande der DLD-Konferenz habe ich mich mit dem US-Medienprofessor über das Apple Tablet, über die New York Times und über Paid Content unterhalten.

Dieser blogpost grenzt an Gotteslästerung. Er ist mit Sicherheit streitlustiger als Oolon Coluphids (aka Douglas Adams) philosophische Bombenerfolge „Wo Gott sich irrte“, „Noch ein paar von Gottes größten Fehlern“ und „Wer ist denn dieser Gott überhaupt?“. Dieser blogpost ergreift Partei für eine Branche, die am Boden liegt, die es jedoch durchaus verdient hat, neue Hoffnung schöpfen zu dürfen. Dieser Blogeintrag richtet sich daher nicht, wie so oft, gegen bräsige Verleger sondern gegen deren personifiziertes schlechtes Gewissen; dieser post trägt die Überschrift: Wo Jarvis irrt.

Wie schon in früheren Blogeinträgen erwähnt: ich bin Fan von Jeff Jarvis und seinem Buch „Was würde Google tun“ (danke @Almontchen für das Hardcover!). Ich bin vertraut mit der umfangreichen Recherche-Arbeit, die Jarvis letztes Jahr zusammen mit Jeff Mignon von Mignon Media (Video) an der City University of New York geleistet hat, um Verlegern vorzuführen, durch welche Finanzierungsmodelle sie wieder zu Geld kommen könnten.

.Das Gespräch. habe ich. Mitte 2009 in New York aufgenommen

Wenn Jarvis der versammelten Verleger-Schar auf den Münchner Medientagen per Skype-Schalte aus New York die Leviten liest (Ihr hattet 15 Jahre Zeit, Eure Hausaufgaben zu machen. Ihr habt es nicht getan!), dann gluckst das Publikum, denn es weiß: dieser Mann bringt es auf den Punkt.

In einem Punkt jedoch bin ich nicht derselben Meinung wie der große Medienprofessor: anders als Jarvis glaube ich sehr wohl an Paid Content. Und: ich glaube daran, dass es Apple gelingen wird, Zeitungen und Zeitschriften wieder sexy zu machen (und damit meine ich nicht die Bild-Mieze auf Springers Bild-App).

Am Rande der DLD-Burda-Konferenz hatte ich Gelegenheit, mit Jarvis über das Apple Tablet zu reden. Obwohl Jarvis selbst bekennender Apple-Fan ist, kann er den Hype um das „iPad“(?) nicht nachvollziehen. Schon gar nicht sieht er darin einen game-changer:

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Jarvis‘ Antwort erinnert mich stark an jene Aussagen, die ich schon bei der Einführung des iTunes-Music-Stores gehört habe. Ganz ähnlich verliefen auch die Debatten im Jahr vor der Einführung des Apple iPhones: wozu braucht die Welt ein weiteres Telefon? Heute wissen wir: sowohl iPod und iTunes (inzwischen der größte Musikhändler weltweit) als auch iPhone und AppStore (größter Mobilfunk-Softwaremarkt weltweit) haben die Industrie verändert.

Doch Jarvis glaubt weder an eBook-Reader noch an Tablet PCs:

Interessanterweise listet Jarvis alle Funktionen auf, die das Apple Tablet anbieten wird – nur eben auf einem größeren und besseren Display als auf dem iPhone. Es soll eben NICHT wie Kindle & Co ein reiner eReader sein, sondern Internet, Text, Video und Musik möglichst komfortabel unter einem Dach vereinen.

Dass ein solches Gerät auch eine Riesen-Chance für Zeitungs- und Zeitschriften-Verleger wäre, ihre Gratis-Leser wieder zurück an die Kasse zu führen, daran glaubt Jarvis nicht. Im Gegenteil – er hält den Schritt der New York Times, ab 2011 hinter einer Paywall zu verschwinden, für fatal:

Genau hier setzt meine Kritik an. Wie schon früher mehrfach geschildert, glaube ich sehr wohl, dass die Menschen bereit sind auch online für journalistische Texte zu zahlen. Man darf es ihnen nur nicht so schwer machen. Und: der Preis muss sich in einem vernünftigen Rahmen bewegen.

Die große Leistung eines Steve Jobs bei der Einführung des iPods war nicht das Gerät. Auch nicht die Software (iTunes war keine Apple-Entwicklung, sondern eine Software, die Apple im Jahr 2000 von einer kleinen Software-Schmiede namens Casady & Greene schlüsselfertig gekauft hatte). Die große Leistung eines Steve Jobs war es, den Musikbossen klarzumachen, dass sie die Gratis-Mentalität niemals beenden werden, wenn sie nicht bereit wären, ihre Songs für einen einfachen und nachvollziehbaren Preis anzubieten: 99 Cent pro Song, und zwar unabhängig davon, ob es sich dabei um einen Tophit handelt oder um einen alten Ladenhüter.

Jeff Jarvis glaubt nicht daran, dass sich so ein Pay-Modell auf dem Zeitungsmarkt wiederholen ließe – und er stützt sich dabei auf einen früheren Versuch der New York Times:

Als ob uns Microsoft jemals mit irgendwas begeistert hätte! Nur weil es Bill Gates nicht gelungen ist, soll das ganze Geschäftsmodell falsch sein? Ich denke hier greift Jarvis zu kurz. Wenn Apple in seiner Geschichte etwas bewiesen hat, dann war es stets dort Erfolg gehabt zu haben, wo andere (manchmal ganze Industriezweige) gescheitert sind.

Der Grund dafür ist simpel: Apple schert sich nicht darum, was technisch machbar ist oder aus Lobby-Sicht wünschenswert wäre. Apple denkt stets vom User aus. Das war 1984 beim Macintosh der Fall, ebenso 2001 beim iPod oder 2007 beim iPhone.

Während Jeff Jarvis in seinem Buch die Power des „Google-Juice“ beschwört, so bin ich fest davon überzeugt, dass es dem Computerbauer aus Cupertino gelingen wird, mit iPad und iTunes-Zeitungskiosk ein totgeglaubtes Medium wiederzubeleben.

Nicht mit „Google–Saft“ – dafür aber mit umso mehr Apple-Juice.

(Vielen Dank an Jeff Jarvis für das anregende Gespräch, ich freue mich auf eine Fortsetzung – unabhängig davon, wer am Ende Recht behält!)

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20 Kommentare
  1. peter brodmeier schreibt:

    stimme dir bedingungslos zu – paid content wird kommen und wird auch funktionieren.

    • Richard Gutjahr schreibt:

      @Peter …da bleibt mir nicht viel mehr zu sagen als: wir haben Recht! ;-) Danke für’s feedback.

  2. Jens schreibt:

    Bezahlinhalte für klassische Nachrichten kann ich mir – besonders bei den Ansinnen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten – schwer vorstellen. Während iTunes damals das Laden von Musik im Netz »einfach« und »rechtmäßig« gemacht hat, gibt es speziell statt Tageszeitungen genug legale Ersatzquellen – Tendenz (auch in der Qualität) steigend.

    Für Fachmedien (einschließlich Sachbücher) sind die Erfolgsaussichten sicher deutlich besser. So würde ich es z.B. paperc.de gönnen, annähernd erfolgreich wie der iTunes-Store zu werden.

    Vielleicht gibt es ja doch – ganz ohne bzw. trotz Apple, Google, Amazon & Co. – eine „Wiederbelebung“ des Medium Papier in Form steigender Auflagen für Wochenzeitungen, Monatsheften, etc.

    Möglicherweise!

    Wie auch immer: Entscheiden werden es allein die Leser, ob und wofür sie ihre Geldbörsen öffnen.

    • Richard Gutjahr schreibt:

      Hallo Jens. Die Diskussion um die bösen Öffentlich-Rechtlichen ist für mich nichts weiter als eine billige Ausrede dafür, dass man die eigenen Hausaufgaben nicht gemacht hat (siehe Jarvis). Als ob es den Verlegern im Netz besser ginge, wenn es kein ARD oder ZDF geben würde. Wenn Du mich fragst, das reinste Ablenkungsmanöver für die eigenen Versäumnisse.
      Was Fachmedien und Schulbücher angeht, bin ich ganz Deiner Meinung: ein gigantischer Markt! Da wird noch viel passieren. Ich denke, was die Verlage generell begreifen müssen: das Geld wächst nicht mehr auf Bäumen. Heute muss man sich einfach mehr anstrengen, um seine Leser zu begeistern (gedruckt wie online).

Willkommen!