Wenn es um das Netz geht, geht mit unseren Volksvertretern gerne mal der Gaul durch, und das quer durch alle Parteien. Da sollen Stoppschilder oder gar Sendezeiten für das Internet eingeführt werden – und jetzt neu! – ein digitaler Radiergummi*. An der Spitze der Bewegung: die Mutter aller Datenschützer, Ilse Aigner.

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Ilse Aigner ist eine Vollblut-Politikerin. Wenn es um Publicity geht, ist sich die Landwirtschafts- und Verbraucherschutzministerin für nichts zu schade. Sie wird nicht müde zu erzählen, wie sie mit ihrem Austritt aus Facebook Mark Zuckerberg das Fürchten lehrte („Meine Kündigung hat eine breite Debatte angestoßen, die große Kreise zog, sogar bis in die USA„), oder wie sie letzten Sommer den Internet-Giganten Google in die Knie zwang („Google kann sich keinen Fehler mehr erlauben„).

Das Video wurde aufgenommen im Streetview-Sommer 2010

Druckerschwärze auf die Papierwalzen der Verleger, die der Ministerin und ihrem Google-Rant stets auffallend viel Platz in ihren Blättern gewährten. Im SZ-Interview rechtfertigt Ilse Aigner ihre Netz-Attacken so: „Wenn die Menschen kein Vertrauen ins Internet haben, werden sie es nicht nutzen.“ -Das Internet nicht nutzen? Ja nee, is klar. Die Ministerin möchte Vertrauen schaffen, indem sie in einer Tour den Teufel an die Wand malt. Nach dem Prinzip: Denken Sie jetzt bitte nicht an einen rosa Elefanten.

Dem Netz keine Chance

Aigners jüngster Coup: Die Ministerin will dem Internet das Vergessen beibringen. Und wie man Dinge vergisst, vor Gericht oder auch mal vor einem Untersuchungsausschuss, davon versteht man was bei der CSU. Mal abgesehen davon, dass der von Frau Aigner beworbene Radiergummi fürs Web leicht zu umgehen ist (dazu ein hervorragender Blogpost bei neunetz.com), versuche ich mir vorzustellen, was so ein Instrument in letzter Konsequenz bedeutet. Was wohl Staaten wie die USA mit so einer Waffe an der Hand schon alles angefangen hätten? Aber wen kümmert das schon. Eine Schlagzeile in der BILD ist Ilse Aigner mit ihrem Ratzefummel-Vorstoß jedenfalls gewiss. Da kann selbst das Dioxin schon mal warten.

Quelle: Abgeordnetenwatch.de

Datenschutz muss sich wieder lohnen!

„Made in Germany sollte weltweit für höchsten Datenschutz im Internet stehen“, sagt Aigner, und schafft es doch glatt, dabei nicht rot zu werden. Die CSU-Politikerin, die sich so sehr um unsere Daten sorgt, hat im Bundestag nicht nur für die Vorratsdatenspeicherung gestimmt, sondern auch für das BKA-Gesetz, das u.a. vorsieht:

  • Online-Durchsuchungen durch Bundestrojaner
  • Großer Lauschangriff (das Abhören und Filmen auch in Wohnungen)
  • Telefonüberwachung mit Handy-Ortung
  • Heimliche Wohnungsdurchsuchungen
  • Rasterfahndung anhand von öffentlichen oder privaten Datenbanken
  • Bespitzelung von Rechtsanwälten und Journalisten

Kurz: ein noch nie dagewesener Eingriff in unsere Grundrechte.

Unbedingt lesen: Heribert Prantl in der NZZ über die Umkehrung der Unschuldsvermutung: „Der Terrorist als Gesetzgeber

Problematisch: Spielzeug-Hubschrauber in der Hand von Privatleuten

Volle Dröhnung

Aber was ist das schon im Vergleich zu der Bedrohung, die von einer AR.Drone ausgeht! Kurz vor Weihnachten warnte die Ministerin, dieser Spielzeug-Helikopter sei gefährlich, weil er dazu in der Lage sei, die lieben Nachbarn auszuspähen. „Früher wurden sie nur militärisch genutzt, künftig gewinnt auch der Einsatz ziviler Drohnen an Bedeutung, etwa für Luftbilder“ gibt die Ministerin gegenüber der dpa zu Bedenken. Ihre Worte werden in Dutzenden Zeitungen im ganzen Land zitiert.

Unbedenklich: Drohnen mit Hightechkameras der Polizei

Gegen professionelle Aufklärungs-Drohnen der Polizei, die mit ihren Präzisionskameras in Fußballstadien oder bei Castor-Transporten heimlich Demonstranten filmen, hat Frau Aigner offenbar nichts. Warum auch?. Denn nun ratet mal, wo die Ministerin gearbeitet hat, bevor sie in die Politik gegangen ist? Ilse Aigner war Systemtechnikerin beim Rüstungskonzern EADS. Was sie dort gemacht hat? Hubschrauber gebaut – für die Firma Eurocopter.

Hinweis: Dieser Blogpost zerstört sich in 10 Sekunden von selbst.

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18 Kommentare
  1. teena schreibt:

    Wenns so weitergeht wird auch noch Dioxin im Internet verboten… so weit kommts noch…
    Ach ne, jetzt hab ich was durcheinander gebracht.

    Im Ernst:
    1) Wo bleiben die Ladenöffnungszeiten für Webhops
    2) Frau Künast hat Recht: Entlassen die Dame.

  2. Detlef Hauke schreibt:

    Aufruf an alle Medienschaffenden – setzt Frau Aigner auf Entzug! Gebt ihr NICHT das, was sie scheinbar so dringend braucht. Verweigert ihr das Medieninteresse. Ihr werdet sehen, 1-2-3 schlägt das Aigner-Radiergummi zu und die Frau verschwindet in der Versenkung – oder in irgend einem Vorstand – je nach dem, was zuerst auftaucht. Das Frau Aigner nicht wirklich Ahnung von den Themen hat, über die sie so gerne redet, hat sie ausreichend bewiesen. Ich bin davon überzeugt, strafen wir sie mit Missachtung, verzieht sie sich in ihr Schmollecke. Ist es nicht einen Versuch wert?

    @teena Der Vorschlag mit den Ladenöffnungszeiten für Webhops findet zumindest bei Kirchenvertretern sicherlich Zuspruch. Die Webshops sind doch der Grund für den schwachen Zuspruch zum Gottesdienst am Sonntagmorgen ;-)

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