Manuskript zu meinem Impulsreferat, das ich anlässlich der Fachtagung „24 Stunden Zukunft“ für junge Journalistinnen und Journalisten des Deutschen Journalistenverbandes (DJV) in Hamburg gehalten habe.

Wer mich kennt, weiß, ich bin ein Hybridmodell. Ich moderiere die Spätnachrichten im Fernsehen, ich blogge, ich schreibe aber auch für dieses Dingsda… dieses… Ja. Richtig: Zeitung.. Ich bin also in der alten wie in der neuen Welt zuhause …und ich kenne alle Tricks:

  • Wie man Straßenumfragen so schneidet, damit die Passanten auf der Straße zufällig am Ende genau die gleiche Meinung vertreten, wie der Redaktionsleiter, der einen mit dieser wichtigen Aufgabe betraut hat.
  • Wann ich meine Blogposts live schalte, damit die Presseabteilung der betroffenen Firma, über die ich blogge, möglichst nicht mehr am selben Tag reagieren kann.
  • Wie man mit dem Presseausweis des DJV ordentlich Journalistenrabatte abstaubt.

Ich weiß das alles.

Und weil ich das alles weiß, fällt es mir umso leichter, heute nicht nur ein Nest zu beschmutzen, sondern gleich zwei! Sollte ich also jemanden von Ihnen verletzen, seien Sie versichert, ich meine jedes Wort genau so wie ich es sage.

„Mit Synergien in den Untergang“ lautet laut Programmheft der Titel meines Impulsvortrages. Ich möchte diesen Titel um eine eigene Unterzeile ergänzen:. „7 ultimative Tipps, damit Sie auch morgen noch einen Job haben“

Tipp Nummer 1: Streichen Sie das Wort „Synergien“ bitte noch heute aus Ihrem Wortschatz!

Vergessen Sie, dass dieses Wort jemals existiert hat und verwenden Sie es möglichst niemals wieder. „Synergien nutzen“,“crossmedial“ oder auch „trimedial arbeiten“ – Buäh! Was soll das?! Erstens: Wer das Internet im Jahr 2011 immer noch als Medium bezeichnet, der soll jetzt bitte nach Hause gehen und sich lieber wieder um seine MySpace-Seite kümmern. Zweitens: Wie alt ist dieses Internet-Dingens doch gleich? 20 Jahre? Wer heute noch zwischen alten und neuen Medien unterscheidet, hat auch wirklich gar nix kapiert.

Tipp Nummer 2: Verbrennen Sie Ihre Social Media Guidelines!

Bei der ARD haben wir jetzt Social Media Guidelines. Hat auch nur 3 Jahre gedauert, bis sich alle angeschlossenen Anstalten auf ein gemeinsames Papier einigen konnten, das so lang ist und sich ungefähr so spannend liest, wie die Nutzungsbedingungen des Apple iTunes-Stores. Mal ehrlich: Wer hat sich diesen Müll ausgedacht? Ich weiß nicht, wie viele Juristen, Hauptabteilungsleiter und Social Media-Beauftragte an diesem Machwerk gesessen haben.

Wenn man solche Social Media Guidelines liest, hat man hinterher soviel Lust auf Facebook, Twitter oder Blogs wie auf Hämorrhoiden. So notwendig wie die Packungsbeilage zu einer Glasflasche auf der die Worte stehen: Vorsicht Gift!

Verbrennen Sie Ihre Social Media Guidelines und verteilen Sie, wenn schon, lieber bunte Buttons oder Sticker auf denen mit freundlichen Buchstaben steht: „Sei kein Idiot“.

Tipp Nummer 3: Lesen Sie keine Zeitung mehr!

Eine Beobachtung, die ich immer wieder gemacht habe – und zwar egal für welches Medium ich bisher gearbeitet habe: Medienmacher gehören zu den ideenlosesten, bequemsten und mutlosesten Menschen, die ich kenne. Schreit einer „Killergurken!“, schreiben es alle anderen ab. Wir Journalisten sind die personifizierte Copy & Paste-Funktion, dafür benötigt es noch nicht einmal das Internet.

In den meisten Redaktionen, für die ich bisher gearbeitet habe, besteht eine Redaktionssitzung darin, dass wir die Schlagzeilen der Morgenzeitungen ausschlachten und für die Abendnachrichten und Magazine verfilmen. „Laaaaaangweilig!“ sage nicht nur ich, sondern sagen auch unsere Zuschauer. Aber dann die Nase rümpfen, wenn die lieber das Dschungelcamp gucken. Liebe Kollegen: Lesen Sie keine Zeitung mehr!

Tipp Nummer 4: Zerschnippeln Sie Ihren Presseausweis!

Ich bin vor Jahren aus dem DJV ausgetreten. Aus Gründen. Das erste Jahr habe ich meinen Presseausweis vermisst. Dann nicht mehr. Im Gegenteil. Seitdem ich nicht mehr so oft mit den offiziellen Presseabteilungen zu tun habe, weil die ja mit Bloggern sowieso nicht reden und auf einen Presseausweis bestehen, kann ich viel freier, viel journalistischer arbeiten:

Pressesprecher: „Moment mal! Haben Sie eine Drehgenehmigung?“

Ich so: „Nee, is nur für mein Blog.“

Pressesprecher: „Achso.“

Plötzlich kann man wieder Dinge ohne Aufsicht tun, mit Leuten reden, Fotos machen, wo man mit dieser Plastikkarte und einer ordentlichen Akkreditierung nie, nie, niemals hin dürfte! Während die Verlage und Sender ihre Redaktionen so ausgedünnt haben, haben Firmen und Regierungen ihre Wellenbrecher an Pressesprechern und PR-Firmen so hoch gefahren, dass wir nur noch selten bis zum Kern einer Geschichte vordringen.

Unterlaufen Sie diese! Lernen Sie wieder, unter dem Radar zu fliegen! Rufen Sie nicht in der Presseabteilung an! Und tun Sie sich selbst den Gefallen:. Zerschnippeln Sie Ihren Presseausweis!

Tipp Nummer 5: Zertrümmern Sie Ihr iPad!

Dieses Ding hier (iPad) wird weder die Zeitung, noch Ihren Job retten. Das können nur Sie selbst. Eine dünne, unmotivierte Geschichte wird auch auf einem schicken Gerät nicht besser. Das gilt übrigens auch für diesen ganzen Multimedia-Nonsens. Wenn Sie nichts zu sagen haben, wird Ihre Geschichte auch nicht besser, wenn Sie neben Ihren Text eine lustige Flash-Animation einfügen. Läuft auf dem iPad eh nicht. Daher:. Zertrümmern Sie Ihr iPad!

Tipp Nummer 6: Meiden Sie Bedenkenträger

Ich arbeite seit über 10 Jahren beim Bayerischen Rundfunk, habe dort viel gelernt und bin mit Herzblut Verteidiger des öffentlich-rechtlichen Systems. Was ich viel zu spät kapiert habe: Unsere Neigung, jede Form von Fortschritt zu bekämpfen, überall vor allem die Gefahren zu sehen und so Dinge wie Twitter, Facebook oder Google niederzumachen, bevor wir es überhaupt auch nur mal ausprobiert haben – diese Attitüde kotzt mich an.

Seitdem ich mich ein bisschen freigeschwommen und den experimentierfreudigen offenen Journalisten in mir wiederentdeckt habe, habe ich mir folgendes vorgenommen: Egal an welchen Projekten ich in Zukunft arbeite, ob ich blogge, Workshops besuche oder auch mal ein Impulsreferat wie heute hier halte: Umgib Dich mit positiven Menschen! Stinkstiefel, Miesepeter und Langweiler, die immer nur jammern, habe ich bis hier! Meine Zeit ist zu kostbar, um mich von Bremsern und Blockierern runterziehen zu lassen. Dafür ist die Epoche, in die wir da hineingeboren worden sind, viel zu aufregend. – Meiden Sie Bedenkenträger!

Und damit bin ich auch schon beim letzten Punkt meines kleinen Offline-Rants angekommen. Einem Punkt, von dem ich weiß, dass er Ihnen sehr wichtig ist, deshalb habe ich ihn mir zum Schluss aufgehoben:

Tipp Nummer 7: Denken Sie nicht an Geld!

Ich weiß, dass Sie jetzt sagen: „Ach, der Gutjahr hat leicht reden, bei all den Millionen die der mit seinem Blog verdient!“ Zur Info: Auch ich habe schon mehrfach durch Einsparungen und Umstrukturierungen meinen Job verloren. Das letzte mal 2010 im Juli. Am Ende habe ich zum Glück immer irgendetwas anderes gefunden. Auch die Öffentlich-Rechtlichen sind keine sichere Bank.

Deshalb: Tun Sie das, woran Sie glauben, wovon Sie überzeugt sind. Klar müssen Sie dabei auch zusehen, dass genug Geld reinkommt. Arbeiten Sie 4 Tage die Woche in einer soliden, klassischen Umgebung. Aber dieser eine, dieser 5. Tag, der gehört Ihnen! Beginnen Sie ein Blog, eröffnen Sie einen YouTube-Channel, allein oder in der Gruppe, suchen Sie nicht nach Synergien sondern nach Gleichgesinnten und machen Sie Ihr Ding!

Wenn Sie für das Brennen, was Sie machen und Sie Ihr Handwerkszeug einigermaßen beherrschen, gebe ich Ihnen Brief und Siegel: Das Geld wird irgendwann kommen.

Sie leben in einer geilen Zeit. Machen Sie was draus!

Vielen Dank.

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98 Kommentare
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  2. JUICEDaniel schreibt:

    Danke, ein sehr inspirierender Artikel. Vor allem das Zitat „Wenn man solche Social Media Guidelines liest, hat man hinterher soviel Lust auf Facebook, Twitter und private Blogs wie auf Hämorrhoiden.“ ist köstlich!

    Nummer 6 stimme ich nur insofern zu, als dass ein wenig (gesunde und konstruktive) Kritik oder ein berechtigter Mahnhinweis durchaus ab und an angebracht sein können. Manche Menschen neigen zum Größenwahn, andere zum übertreiben und wieder andere zum Machtmissbrauch. Da tut eine externe Schranke besser als eine vor dem Kopf. ;)

Willkommen!