Soziale Netzwerke sind kein Hexenwerk. Solange man seine Kommunikationspartner ernst nimmt und nicht an der falschen Stelle spart.

Da hat der Online-Mode-Shop CelebBoutique am Freitag aber mal einen gewaltigen Bock geschossen. Stunden nach dem Amoklauf in einem Multiplex-Kino in Aurora, Colorado, sprang das Klamotten-Kaufhaus auf den weltweiten Trending-Topic-Zug auf und setzte den folgenden Tweet an seine 42.000 Follower ab:

Was folgte war abzusehen – the rise of a shitstorm. Binnen Sekunden verbreitete sich der missratene Tweet rund um den Globus. Es hagelte Beschimpfungen und Hass-Kommentare im Sekundentakt:

Eine geschlagene Stunde und über 1000 Retweets später, meldete sich die Firma mit einer Erklärung zurück

Eine geschlagene Stunde und über 1000 Re-Tweets später, meldete sich die Firma mit einer Erklärung zurück, die es nicht besser machte: Man (löschte) und entschuldige sich für den Tweet, begründet die Geschmacklosigkeit damit, dass das Social-Media-Team im Ausland säße und keine Ahnung von der Schießerei in Colorado hatte. Bam!

Die Reaktion blieb nicht aus:

Soweit eine stark verkürzte Auswahl einiger Protest-Tweets (Für Neugierige: hier die aktuell einlaufenden Tweets zum Thema). In der Folge schwappte die Protestwelle von Twitter rüber zu Facebook. Dort verwandelte sich die Firmen-Pinnwand von CelebBoutique (man beachte „Aktuelle Beiträge“ in der rechten Spalte) schnell in einen einzigen Online-Pranger:

Bevor Ihr flink Euren in die Jahre gekommenen Standard-Vortrag „Krisenkommunikation“ um ein paar Folien zum Aurora-„Case“ ergänzt – erlaubt mir schnell noch meine 5 Cent zu dem Vorfall: Ein soziales Netzwerk ist mehr als nur ein Marketing-Werkzeug. Ähnlich wie die persönliche Kommunikation von Angesicht zu Angesicht, transportiert es neben der reinen Sach-Information Werte, Haltungen und Beziehungsbotschaften. Ein Tweet und sein Kontext sagt mehr als 140 Zeichen. Er drückt aus…

  • wer man ist
  • für was man steht
  • was man bezweckt
  • was man von seinem Kommunikationspartner (Kunden) hält

Ob Online-Shop, Medienunternehmen oder Behörde – Social Media lässt sich nicht outsourcen. Social Media muss gelebt werden. Welche Grundhaltung CelebBoutique mit seinen Offshore-Tweets an den Tag legt, bringt eine Studentin aus Florida auf der Facebook-Firmenseite des Modehauses auf den Punkt:

„You represent everything that is wrong and disgusting with this world. You have absolutely NO excuse. The fact that your PR is NOT US based is a bullshit statement, especially considering you target a US audience and market. You talk out of your ass, pay absolutely NO attention to news whatsoever, and between your tweet and your ignorance its hard to determine which is worse. You propagate ignorance, superficial insensitivity, and tasteless materialism. Fuck you, and every thing your company stands for.“

 

Nachtrag:
Am Morgen nach dem Massaker twitterte ein Vertreter der National Rifle Association (NRA): „Good morning, shooters. Weekend plans? Happy Friday!“

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29 Kommentare
  1. […] Vorstellung des neuen Batman Filmes wurde zum Trending Topic auf Twitter unter dem Hashtag #aurora. Was dann geschah, lässt sich am besten im Blog von Richard Gutjahr verfolgen. In aller Kürze: Eine Versender von Bekleidung sprang auf das vermeintlich neutrale Hashtag an und […]

  2. Tim Krischak schreibt:

    Das ist wirklich ungeheuerlich. Wer kommt denn auf so eine Idee?!
    Danke für das Zusammentragen der Informationen zu dem Fall.

    Beim Lesen bin ich über eine Formulierung gestolpert und mir gingen ein paar Fragen durch den Kopf:

    Was sind denn selbsternannte Social Media-Berater? Gibt es auch offiziell ernannte? Und wenn ja, wer ernennt diese, mit welcher Berechtigung? ;-)

    • Richard schreibt:

      Guten Morgen Tim. Ich hatte den Absatz ohnehin soeben leicht überarbeitet. Ich hoffe, so ist es verständlicher. Um Deine Frage zu beantworten: Es gibt offizielle Social-Media-Beauftragte in Firmen und Behörden. Wie gesagt, war missverständlich.

    • Berthold Barth schreibt:

      Naja, offiziell ernannte Social-Media-Berater werden zu diesem Zweck beschäftigt. Das es immer noch keine formalisierte Ausbildung für dieses Berufsfeld gibt ist eine Sache. Eine andere ist, dass auch eine Ausbildung in unserem aktuellen Bildungssystem keine Garantie dafür ist, dass jemand anschließend für die Wirklichkeit der Geschäftswelt qualifiziert ist.

      In diesem Fall war weder das eine noch das andere gegeben, mit dem Effekt, dass die ganze Branche mal wieder Schaden nimmt…

      • Petra schreibt:

        http://www.ebc-hochschule.de/de/studium/bachelor-of-arts/communication-media-management.html

        Social Media ist zwar kein Ausbildungsberuf, aber ein Studienfach.

        Jeden Shitstorm kann man aussitzen. Innerhalb von 2 bis 3 Tagen kümmert sich kein Mensch um einen simplen Tweet…
        Redet heute noch jemand von Pril, oder von „der“ Brigitte?
        Was war da noch mit der Schufa oder dem Meldegesetz?

        Wir jagen einfach zu viele Schweine durchs Dorf, als dass wir aus der Herde einen bestimmten Rüssel in Erinnerung behalten.

Willkommen!