Die besten TV-Momente sind die, die echt sind, die nicht nach Drehbuch laufen. Im israelischen Fernsehen diskutieren Abend für Abend zwei reife Journalisten über Gott, die Welt und neuerdings auch über das Web. 

Yaron London und Moti Kirschenbaum – In ihrer täglichen Sendung haben sie Gäste, oft Journalisten und Politiker, mit denen sie sich unterhalten. Über die Präsidentschaftswahlen in den USA. Über Iran. Über politische Skandale. Das klingt konventionell, um nicht zu sagen langweilig, was es komischerweise gar nicht ist. Es sind Gespräche auf hohem Niveau, keine Personality- oder Betroffenheitsshows wie bei Lanz, Kerner oder Beckmann. Ein Format, das durch seine Ruhe und Tiefgründigkeit wie ein Fremdkörper in dem Blitzlichgewitter aus Werbespots, Quiz- und Casting-Shows des Senders heraussticht.

Wie zwei Stummfilm-Helden, die den Tonfilm überlebt haben, sitzen London und Kirschenbaum Abend für Abend, akkurat gekleidet, auf ihren Plätzen und diskutieren die aktuelle Tagespolitik. Sie tun das seriös, aber auch mit Witz. Und manchmal gibt es regelrechte Muppet-Momente, wie zum Beispiel neulich, als die Produzenten des Programms ihren beiden Gallisions-Figuren einen QR-Code verpasst haben. Channel 10 versucht seit neuestem durch Einblendung von QR-Codes offensiv die Brücke zu Facebook zu schlagen, das in Israel noch populärer ist als sonst wo auf der Welt.

Übersetzung

L:  Moti und ich werden jetzt über etwas sprechen, von dem wir keine Ahnung haben. Aber man hat uns gesagt, das jede TV-Sendung, die etwas auf sich hält irgendwie mit Facebook verbunden sein muss.

M:  Schau nur, schau nur!

L:  Du meinst diesen kleinen Perserteppich?

M:  Wir haben einen Barcode.

L:  Jawohl, wir haben einen Barcode. Es ist wohl so, dass wenn man ein Smartphone besitzt und man dieses Gerät dann vor diesen Barcode hält – ich wusste gar nicht, dass jedes Smartphone einen Mechanismus besitzt, um damit Barcodes zu lesen, wusstest Du das, Moty?

M:  Bahhh.

L:   Das wusstest Du nicht, oder?

M:  Nein, wusste ich nicht.

L:  Na jedenfalls, wenn man damit also vor diesem Barcode hin und herwedelt, was passiert dann? Was passiert? Es geschieht etwas magisches und man wird automatisch mit Facebook verbunden und dann kann man uns Likes schreiben. Man kann uns Likes schreiben! Und dann haben wir viele Likes!

M:  Likes! Mehr Likes!

L:  Nun, ich hab mich gefragt, wozu brauche ich Likes? Wozu? Und dann dachte ich mir dass ‚Likes’ – das klingt wie „Lick“. Lecken. Wenn Du einen Like kriegst, ist das ein bisschen so, als wenn Dich ein Hund abschleckt – ein süßer Hund, der mit seiner Zunge Deine Hand abschleckt. Ein Schleck und noch ein Schleck und dann noch ein Like…

M:  Nein, hör zu, so ist das nicht. Solche Likes sind echt etwas wert.

L:  Aber wozu brauche ich eine halbe Million Likes?

M:  Eine halbe Millon Likes, das ist etwas!

L:  Aber was mache ich damit?

M:  Zunächst einmal kannst Du sagen, dass Du eine halbe Million Likes hast. Das ist schon etwas: „Ich habe eine halbe Million Likes!“

L:  Das haben die mir auch erzählt.

M:  Es stimmt schon, wir können das nicht verkaufen, aber wir können zum Beispiel eine Verlosung machen mit all den Leuten, die uns liken.

L:  Und die Person, die gewinnt, kriegt was?

M:  Der Gewinner kann unsere Freitags-Zusammenfassung gratis anschauen [Anm.: Die Sendung läuft ohnehin gratis im Free-TV].

L:  Gibt es in dieser Sendung dann auch wieder Likes?

M:  Da kann man dann auch wieder Likes vergeben, natürlich. Wir werden Likes haben. Was hast Du gegen Likes. Wir sollten viele Likes haben!

L:  Ich habe gar nichts gegen Likes.

M:  Wir werden viele Likes haben. Je mehr, desto besser.

L:  Aber wozu brauche ich Likes?

M:  Liebe Zuschauer, wir haben eine Bitte. Machen Sie Gebrauch davon. Die haben hier einen Barcode hingemacht. Wir haben Facebook. Lassen Sie das nicht umsonst sein. Überschütten Sie uns mit Likes!

L:  Unfassbar viel Kreativität hat uns diesen Moment hier beschert.

M:  Mit einer halben Million Likes, vielleicht verlängern die uns ja unseren Vertrag. Denk drüber nach.

L:  Aber die haben unseren Vertrag doch schon verlängert.

M:  Länger. Noch ein Jahr. Noch ein Jahr.

L:  Unser Vertrag wurde verlängert bis wir quasi tot umfallen.

M:  Bitte, liebe Zuschauer, geben Sie uns Likes! Nur ein paar. Nicht zu viel. Worum bitten wir Sie? Was kostet Sie das?

L:  Likes! Likes!

M:  Viele Likes!

Dt. Overvoice-Version

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3 Kommentare
  1. KMen schreibt:

    Haha das ist ja super! Wenn sowas bei uns laufen würde, würde der Fernseher wieder einen festen Platz im Tagesverlauf bekommen! Sind die Juden doch wieder die kreativsten Köpfe! :)

  2. LuckyKvD schreibt:

    Wenn die ansonsten behandelten Themen ähnlich humorvoll ausfallen, dann würde ich mir das jeden Tag anschauen! Ganz klar ein Like und ein +1!

    • Richard schreibt:

      Vielen Dank. Soll ich Dir den QR-Code zu meiner Facebook-Seite schicken?

Willkommen!