Ob im Abo, im Einzelverkauf am Kiosk oder als Gratisblatt am Flughafen; die gedruckte Zeitung verliert nicht nur Auflage sondern auch Relevanz. Klar ist: Die Printmedien müssen sich verändern. Nur wie? 6 Medienprofis über die Zukunft der Zeitung.

big-papers

San Francisco 2009. Kollege Marcus Schuler und ich drehen einen TV-Film zum Thema Zeitungssterben in den USA. Redaktionsbesuche, Interviews, alles im Kasten. Ein einziges Bild fehlt uns noch: Menschen, die Zeitung lesen. Den ganzen Tag cruisen wir durch die Straßen. Allein, wir finden niemanden! Wie soll man nur etwas bebildern, was nicht mehr da ist?

Wir sprechen mit Passanten über das Phänomen. Die Frage lautet: „Wieso lesen Sie keine Zeitung mehr?“. Und wir bekommen Antworten. Antworten, die man in Deutschland nicht hören möchte. „Das Internet hat die Zeitungen gekillt“, heißt es zum Beispiel. Eine Exil-Österreicherin bringt es auf den Punkt: Die Zeitung des 21. Jahrhunderts müsse sich ändern. Was und wie die Leute heute lesen wollen, sei anders als damals, als die Zeitung entstanden ist:

Menschen, die auf Bildschirme starren

Wer wie ich viel auf Reisen ist, kennt das Phänomen auch hierzulande: Im ICE weichen gedruckte Zeitungen und Zeitschriften immer häufiger dem Laptop, Tablet oder Smartphone. Selbst die Gratis-Exemplare, die am Flughafen ausliegen, werden mittlerweile liegen gelassen. Von wegen: Schuld ist die böse Gratiskultur im Netz. Das Problem ist nicht das Internet, nicht das Publikum – das Problem ist das Produkt.

Vor ein paar Tagen habe ich eine Hand von Netizens, Medienmacher, Werber und Blogger angeschrieben und sie gefragt, wie es jetzt weiter gehen muss. Die Frage lautete:

Warum sind (Tages-) Zeitungen in ihrer jetzigen Form nicht mehr zeitgemäß und was müssen die Macher bieten, um die Leser für ihre Dienste (on/offline) zu begeistern?

LoboSascha Lobo, Publizist

Die heutige Form der Zeitung – gedruckt wie digital – ist bis ins Detail das Resultat einer besonderen Welthaltung, die etwa so lautet: Ordnung, Erklärung und Bewertung der Geschehnisse. Die Zeitung war also immer eine, oder vielmehr DIE Kontextmaschine. Im Nachhinein fällt es natürlich leichter, das zu analysieren, aber es scheint, dass das Medium Papier und die zeitgenössischen Gesellschaftsbedürfnisse wesentlich prägender für die Welthaltung der Zeitung war als gedacht. Es ist kaum möglich, Nachrichten zu denken und nicht auch Zeitung zu meinen – selbst für die meisten Internet-Fans, die das oft gar nicht mehr bemerken. Aber schon so etwas vermeintlich medienneutrales, zeitloses wie eine Einteilung in „Ressorts“ enthält die Zeitungs-DNA, mit massiven Konsequenzen für Unternehmen und Strukturen rund um Nachrichten.

Die Zeitung der Zukunft muss wieder eine Kontextmaschine sein – mit der großen Schwierigkeit, dass durch Social Media die Erwartung des Publikums verschoben wurde: eine Kontextmaschine muss heute auch eine soziale Kontextmaschine sein. Das geht sehr weit über Kommentarfunktion und Facebook-Einbindung hinaus. Denn die besondere Welthaltung der Zeitung muss neu entwickelt werden. Und erst anschließend in Form eines Produkts gegossen werden. Natürlich kenne ich für wirklich alle anderen Probleme der Neuzeit eine preiswerte, simple, garantiert funktionierende Universallösung – aber ausgerechnet hier nicht, deshalb bin ich gezwungen zu mutmaßen.

Auf eine Einschätzung zu Printzeitungen verzichte ich, das können andere besser. Für das Digitale wäre mein Tipp: die Zeitung der Zukunft ist eine Mischung aus Community und Plattform. Die Ordnungsfunktion liegt eher in den Händen des Publikums, während die Erklärfunktion durch den Nachfolger der Redaktion abgebildet wird. Die Bewertungsfunktion ist zwischen beiden aufgeteilt. Mir erscheint außerdem sinnvoll, die Trennung zwischen Inhalten und Nutzerkommentaren konzeptionell sinnvoller aufzuweichen als durch einen feigenblatthaften Lesersandkasten. Als Ordnungsform sehe ich eine auch gestalterisch deutlich nachvollziehbare Dreiteiligkeit:

  • eine schnelle, kurze, tickerhafte Aufbereitung der Schlagzeilen (ha! wieder Zeitungs-DNA)
  • eine mittellange, teils erklärende, teils meinungsbasierte Aufbereitung von Nachrichten, und zwar sehr bildlastig und durchsetzt mit datenjournalistischen sowie interaktiven Elementen
  • eine lange bis sehr lange Hintergrunderklärung, gern in Reportagen- und Geschichtenform, mit Anknüpfungspunkten für stark textbasierten Paid Content (an dessen Zukunft ich glaube, übrigens)

Jede dieser Säulen muss für sich genommen funktionieren. Die Darreichungsform wäre 100% Internet, nur browserbasiert und responsiv, um auf möglichst jedem Gerät stattfinden zu können. Bonusmeinung für kontroverse Diskussionen: eine solche Zeitung der Zukunft verzichtet auf Videoinhalte. Denn Video ist etwas anderes. Glaube ich.

Schirrmacher4Frank Schirrmacher, Herausgeber

Mehr Menschen als je zuvor lesen Zeitungen auf allen Plattformen. Und von denen, die ihr Ende prophezeien, wollen erstaunlich viele in ihnen schreiben. Kolumnen in Zeitungen und auf ihren Online Ablegern können in viel kürzerer Zeit als je zuvor Autoren zu Marken machen. Die ewige Debatte über das Ende traditioneller Medien ist selbst zu einem Markt geworden – ein Bruchteil dessen, was da für Konferenzen und Kongresse ausgegeben wird in die Honorierung neuer Autoren, und die Welt sähe etwas interessanter aus. Thesen über die Zukunft der Zeitung sind wie Thesen über den Reissverschluss. Man reproduziert ständig, was kein Mensch wirklich versteht, aber weil es so gut funktioniert – auf, zu, Zeitung lebt, Zeitung stirbt – geht es immer so weiter. „Kein Mensch kann sich erklären, warum, warum der Reißverschluß funktioniert.“, hat Kurt Tucholsky geschrieben. „Niemand weiß es. Die Fabrikanten können ihn herstellen, aber sie wissen eigentlich auch nicht ganz genau, was sie da fabrizieren. Ich weiß es nicht. Du weißt es nicht. Wir wissen es alle nicht. Und der einzige Mensch, der es weiß, sitzt, während du dies liest, in Paris an der Ecke des Boulevard des Italiens und der rue Helder und verkauft Zeitungen.“

Das geht jetzt so seit gefühlten hundert Jahren. Dabei liegt die Antwort nicht in der Technologie. In der Tat besteht enormer Nachholbedarf. Das Problem von Zeitungen und Zeitschriften besteht nicht darin, dass sie Anschluss an die Technologie verlieren, sondern in Zeiten des Kostendrucks Anschluss an die nächste Generation von Autoren. Für Zeitungen geht es ausschliesslich darum, die richtigen Gehirne zu engagieren. Menschen, die durch die neuen Technologien geimpft, also auch immunisiert worden sind: die einen intutiven Begriff davon haben, was in Zeiten digitialer Weltmärkte reiner Hype, Informationslawine und was eine wirkliche Geschichte oder Nachricht und was eine Frage ist. Wir können erst erkennen, wohin Zeitungen sich evolutionär entwickeln werden, wenn diese Verschmelzung stattgefunden hat. Sie ist heute leichter als je zuvor: Autoren, die man früher mühsam suchen musste, sind heute im Netz sofort zu finden. Eine gigantische Industrie baut synthetische Intelligenzen, die fast alles verändern. Verlage in diesem Sinne sind das Silicon Valley von der anderen Seite: sie müssen humane Intelligenzen entdecken, fördern und bezahlen (und damit das Gegenbild zur selbstausbeuterischen Mikro-Arbeit in der digitalen Ökonomie sein). Gute Verlage sind niemals wegen der Kapitalrendite alleine entstanden. Ihre emotionale und intellektuelle Rendite war immer das Versprechen in der Welt besser zurecht zu kommen. Alles hängt davon ab, solche Intelligenzen an sich zu binden. Die Prosa, die daraus entsteht, wird nicht nur „zeitgemäss“ sein, sondern interessieren – was vielleicht nachhaltiger ist als „begeistern“.

 

KassaeiAmir Kassaei, Kreativchef

Ich glaube das Problem liegt in der Definition des Leistungsangebots und des Businessmodells von Tageszeitungen. Moderne Medienmarken müssen Ihr Produkt inhaltlich auf drei Säulen aufbauen: Information, Service und Community. Plus: sie müssen technologisch die digitale Infrastruktur nutzen. Das bedeutet real time, an jedem Ort und vor allem: immer relevant. Beim Businessmodel schließlich müssen sie weg vom werbefinanzierten Modell und zurück zu der Uridee, dass es – wenn man relevantes produziert – Menschen geben wird, die dafür bezahlen wollen. Ich habe dazu mit der FH Salzburg ein Master Projekt entwickelt (s. Video), das in Österreich den Staatspreis Media gewonnen hat und mit dem wir genau beweisen, wie so eine Medienmarke inhaltlich, technologisch aber auch ökonomisch funktionieren kann.

LangerUlrike Langer, Medienjournalistin

Bei deutschen Zeitungen sind die Einnahmen aus Print derzeit noch um ein vielfaches höher als die Einnahmen aus dem Digitalgeschäft. Das verleitet dazu, auch die Kosten den Einnahmen jeweils anzupassen. Ein fataler Irrtum. Denn künftig wird es – mit Ausnahme von Marktlückenschließern wie „Landlust“ und einigen Hochglanzmagazinen für den Couchtisch – Wachstum nur noch digital geben. Deshalb müssten Zeitungsverlage eigentlich alles daran setzen, ihre (potenziellen) Nutzer im Netz mit soviel Qualität und Innovation wie nur möglich zu überraschen. Und zwar jetzt, solange die Printeinnahmen dafür noch reichen. Vielleicht in fünf, spätestens aber in zehn Jahren, wird es in vielen Regionen nicht mehr genügend Leser geben, die mit einer Zeitung als gebündeltes Paket voller Nachrichten von gestern zufrieden sind.

Auf der anderen Seite wird es immer Nutzer geben, die ihre Nachrichten aus einem selbst zusammengestellten Informationsstrom mit vielen Quellen beziehen. Ihnen müssen Zeitungen in digitaler Form weit mehr bieten als heute: Das fängt an mit selbstverständlicher Verlinkung zu weiterführenden Quellen im Netz, geht weiter mit Kommentarfunktionen auf Augenhöhe und hört mit ansprechend aufbereiteten Datensätzen zu relevanten Themen inklusive Zugang zu Originaldaten noch lange nicht auf. Eines brauchen die mündigen Nachrichtennutzer allerdings ganz bestimmt nicht: Informationen, die es an jeder Ecke im Netz umsonst gibt, als Angebot hinter einer Paywall. Wer täglich zum Kauf von Nachrichten verleiten will, muss mehr bieten. Das können auch kleinere Lokalzeitungen schaffen, wenn sie ihre Ressourcen sinnvoller als heute einsetzen: Mit einem Verzicht auf überregionale Agenturmeldungen und mehr Tiefe und Relevanz im Lokalen.

SixtusMario Sixtus, Fernsehjournalist

Neben dem Papier-Problemkonglomerat, das tief im Modell-Design verwurzelt ist (nur bei Licht lesbar, Käufer muss sich selber um Entsorgung kümmern, Update nur durch Neukauf, Verschmutzung der Finger durch bleihaltige Substanzen, knapper Speicherplatz, keine animierten Katzen-GIFs, etc.), leidet das Konzept Zeitung vor allen Dingen an dem Umstand, dass sich die Menschen des 21. Jahrhunderts keine Gemischtwaren-Pakete mehr verkaufen lassen. Das mussten schon (unabhängig von der Schwarzkopie-Debatte) die Musiklabels lernen: Die Generation iTunes kauft genau die Songs, die ihr gefällt, aber keine Alben, mithin keine geschnürten Pakete mehr. Das Modell „zwei gute, neun mittelmäßige und drei vollkommen überflüssige Songs auf einer CD“ funktioniert nicht mehr.

Und auch Zeitungen sind seit ihrer Erfindung gemischte Tüten, gepackte Pakete, die man entweder ganz oder gar nicht erwerben konnte: Wer sich für die Lage der Revolution in Syrien interessiert, kauft auch die Bundesliga-Berichterstattung und die bratwurstjournalistische Aufarbeitung der vorgestrigen Autohaus-Eröffnung mit. Wer sich für die Theaterpremiere interessiert, kauft auch die Syrische Revolution – und ebenfalls die Bundesliga, und auch noch die bratwurstjournalistische Aufarbeitung der vorgestrigen Autohaus-Eröffnung mit. Dass das so ist, dafür sorgt kein viertel-intelligenter, Amazon-esquer Empfehlungsalgorithmus, sondern die Idee, einen Karton zu packen, mit allen möglichen Informationen, die die Redaktion für relevant hält. Im Zeitalter der Informationsselbstbedienung im All-you-can-eat-Internet werden solche Info-Pakete allerdings immer unverkäuflicher.

Der Homo Webicus ist ein Rosinenpicker: Er stellt sich seine persönliche, individuelle Nachrichtenmahlzeit aus den unterschiedlichsten Fachquellen zusammen. Verglichen damit sieht das One-Size-fits-all-Konzept der Zeitungen nicht nur unfassbar altmodisch aus, sondern schmeckt im Vergleich mit dem persönlich abgestimmten, exotischen Web-Menü wie die ungewürzte Kantinenkost einer evangelischen Weiterbildungseinrichtung. Das größte Problem der Zeitungen ist also untrennbar mit ihrer grundlegenden Struktur verwachsen, und es lässt sich daher nicht nur schwer, sondern gar nicht lösen.

KnuewerThomas Knüwer, Unternehmensberater

Tageszeitungen sind eine Technologie, Technologien werden irgendwann von besseren Technologien abgelöst. Sprich: Tageszeitungen sterben und es gibt kein einziges Indiz, das in eine andere Richtung weisen würde. Das wäre überhaupt nicht schlimm, denn, um mit Clay Shirky zu sprechen: Wir brauchen keine Zeitungen, wir brauchen Journalismus.

Das Internet ist eine erheblich bessere Plattform für jede Form von Journalismus als Papier. Doch verweigern sich deutsche Verlage jeder Form von Innovation. Die jüngste iPad-App des Handelsblatts ist da der beste Beweis: Man will Zeitung machen, mit Redaktionsschluss und Längenbeschränkung.

Größtes Problem ist dabei das absurde Missmanagement in Verlagen. Die Entscheider sind wie Kreuzfahrttouristen des Internets: Ausflüge gibt es nur unter Führung (zum Beispiel durch die Verlegerverbände), ein paar Stunden geistert man dann betreut durch Palma um hinterher zu sagen „Hömma, Mallorca, kenn isch!“ Tatsächlich aber wäre es nötig, einen Rucksack zu packen, Wanderstiefel zu schnüren und sich auf den beschwerlichen Weg ins Hinterland zu machen. Dort träfe man auf Einheimischen, würde mit ihnen am Tisch speisen und in ihren Scheunen und Gästezimmern übernachten. Das ist hart, kostet Zeit und brächte die Erkenntnis, sich ändern zu müssen. Nur ein deutscher Verlag hat dies erkannt: Die Silicon-Valley-WG von Axel Springer ist ein Schritt in die richtige Richtung.

An alle Autoren: vielen Dank für diesen Input! Ich bin gespannt, ob wir die Diskussion über die Ostertage gemeinsam mit interessierten Bloglesern noch ein wenig fortführen können.

Update: Hier eine Zusammenfassung der Diskussion.

 

social-eggsOster-Aktion: Ihr seid dran: Lest Ihr Zeitung? Wenn ja: warum – wenn nein: warum nicht? Wie müsste sich (Print-) Journalismus Eurer Meinung nach ändern, damit Ihr bereit seid, auch in Zukunft dafür zu zahlen? Unter allen Kommentaren verlose ich 3 DVD-Kurse von Web-Evangelist Thomas Pfeiffer zum Thema Facebook-App-Entwicklung, WordPress und Social Media. Eure E-Mail wird nicht veröffentlicht – bitte auch angeben, welcher Titel Euch interessiert. Einsendeschluss: Ostermontag, 1. April.

 

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111 Kommentare
  1. Beatrix Gutmann schreibt:

    Informationen wollen wir alle, auch in Zukunft. Daran wird sich hoffentlich nichts ändern. Aber kein Mensch braucht die News von gestern und die Berichterstattung der Agenturen. Du kannst fragen, wen Du willst, dass was noch interessant ist, sind die lokalen Informationen. Aber möglichst nicht aus einer Quelle, sondern aus vielen Quellen. Meinungsvielfalt, Sublokalität und das Geschehen vor Ort. Vielleicht gepaart mit dem Lokalsport aber auch den Big News vom anderen Ende der Welt. Mein Nachrichtenkonsum hat sich ernorm verändert. Ich lese lokales in einem BürgerCommunity-Portal, da finde ich redaktionelle Inhalte und Inhalte von den Menschen, die gern darüber berichten, was vor ihrer Haustür geschieht. Das ist oft nicht schlechter als die Inhalte die aus den Redaktionen kommen. Meine Weltnews hole ich mir z.B. bei Twitter. Da sehe ich kurz und knapp ob ich mich das interessiert, was hinter dem Link steht. Ich selektiere – und das immer wieder neu. Eine Tageszeitung lese ich nicht mehr. Am Wochenende aber immer noch gern einer überregionale Zeitung in der ich herrlich stundenlang schmöckern kann. Wenn dazu noch der Mehrwert (Videos, Fotostrecken, Links) online zu finden ist, bin ich glücklich.

    • Barfaust schreibt:

      Aha. Am Wochenende herrlich schmöckern….allein die Wortwahl zeigt: So tot ist das Medium also doch nicht.

  2. Mike schreibt:

    Lese ich noch Zeitung? Nein.

    Warum lese ich keine Zeitungen mehr?
    Zeitungen sind unpraktisch. Meistens „sperrig“, schwer so zu falten wie man sie gerade braucht um sie zu lesen oder mit sich herum zu tragen. Vor 50 Jahren mag das noch praktisch gewesen sein. Heute ist es aber nicht mehr so.
    Das liegt daran, dass ich Nachrichten auch auf anderen Wegen erhalten kann. Ob im Büro oder zu Hause am PC oder unterwegs auf Smartphone oder Tablet.
    Dass die Nachrichten dort gratis angeboten werden ist nicht das Ausschlag gebende. Es ist einfach praktischer.

    Wie muss sich also (Print-)Journalismus verändern?
    Verändern muss sich das Medium und der Journalismus.
    Das Medium wird mit wegsterben der letzten Generation von Zeitungslesern wohl oder übel den selben Weg allen Irdischens gehen. Die Zukunft wird also in Richtung Online- statt Print-Journalismus gehen.
    Der Journalismus muss sich aber auch verändern. Weg vom Ziel, als erster die Story „irgendwie“ Online zu haben, hin zu qualitativ gut recherchierten Stories.
    Für qualitativ hochwertige Berichterstattung ist der Kunde eher geneigt, Geld zu bezahlen als für „schnell mal runtergetippte“ 08/15-Geschichten.
    Dabei spielt die Aktualität zwar eine bedeutende Rolle, ist aber nicht der einzige Grund, für Journalismus zu bezahlen. Journalismus muss sich an die veränderten Gegebenheiten im Netz anpassen. Er muss Qualität bieten und persönlich ansprechend sein und außerdem die Möglichkeit zur wahren Interaktion bieten.
    All das ist „in diesem Internetz“ ja möglich, wird aber von Verlagen oft konsequent ignoriert oder unterbunden.

    • Richard schreibt:

      Da werden jetzt wieder ganz viele schreien: Aber die Haptik! Das Blättern! Das Zeitungsrascheln… Als ob einen das Streicheln eines iPads nicht genauso in Extase versetzen könnte ;-) Einen einzigen Vorteil hat die Zeitung als gedruckter Informationsträger. Kein Akku-Problem! Aber auch das ist nur eine Frage der Zeit. Was die Geschwindigkeit betrifft möchte ich widersprechen: Seit Erfindung der Groschenzeitung gehört es zum Anspruch von Journalisten, auch der Erste sein zu wollen. Das halte ich auch (gerade!) im Digitalzeitalter nach wie vor für legitim, wo kein Medienmacher mehr an Logistik und Vertriebsstrukturen gebunden ist. Mein Credo: Sei der Schnellste oder der Beste (= Tiefgründigste). Im Idealfall beides. Auch wenn das nicht immer gelingen kann.

      • Mike schreibt:

        Da gebe ich dir durchaus Recht. Sowohl bei den wohl kommenden Aufschreien, der von mir angesprochenen Generation der Zeitungsleser, zu der auch meine Eltern noch gehören.
        Dein Credo kann ich verstehen. Aber bei aller Schnelligkeit sollte doch ein gewisser qualitativer Mindestwert erreicht werden.
        Wie hoch dieser sein muss, wird dann wohl der Leser festlegen.

      • Schneller sein zu wollen als die Konkurrenz halte ich für einen der maßgeblichen Antriebe für einen Journalisten. Allerdings hat sich dieses Credo inzwischen in vielen Fällen auf ein „Schnell sein um des Schnell-sein Willens“ reduziert. „Ich war schneller!“ – „Womit?“ – „Ist doch nicht entscheidend, hauptsache, ich war schneller!“. Der Wert der Nachricht, mit der man schneller ist, darf wieder eine größere Rolle spielen. Gedruckte Medien werden als Vertriebsweg noch lange eine Bedeutung haben – als ein Vertriebsweg von vielen innerhalb eines Medienhauses. Der erste Weg der Nachrichtenverbreitung ist dabei nicht erst seit gestern eine Domäne von Online. Die Domäne von Print sind, meiner Meinung nach, Erklärung und Analyse, weil Menschen am ehesten bereit sind, für ein solches journalistisches Produkt zu bezahlen, wenn sie dort Texte von Profis finden, die aufgrund eines anderen, besseren Zugangs zu Themen und Personen Gedankengänge und Zusammenhänge bieten können, die die Sicht des Lesers auf die Welt bereichern, weil sie die von ihm online aufgenommenen Nachrichten vertiefen. Fast Food hat die Lust der Menschen am qualitativ hochwertigen Bekochen-lassen im Restaurant, und die Bereitschaft, dort mehr Geld als für einen Burger auszugeben, auch nicht aussterben lassen. ;-)

Willkommen!