Welche Rolle spielen Länder, Parteien und einzelne Abgeordnete im Kampf um die geplante EU-Datenschutzverordnung? LobbyPlag blickt hinter die Fassade von Brüssel, will den unsichtbaren Code von Politik und Lobbyismus dechiffrieren.

von Marco Maas, Martin Virtel, Sebastian Vollnhals, Andrej Sandorf, Richard Gutjahr

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Lobbyschlacht

In Brüssel tobt eine Lobby-Schlacht wie seit Jahren nicht mehr. Anlass ist die geplante Datenschutzverordnung, über die in Kürze im EU-Parlament abgestimmt werden soll. Die Einsätze sind hoch. Für die über 500 Millionen EU-Bürger der 27 Mitgliedstaaten geht es um den Schutz ihrer persönlichen Daten.

Für die Wirtschaft – allen voran die großen IT-Unternehmen, Werbetreibende, Banken und Kreditinstitute – geht es um ihre Entwicklungschancen, die Konkurrenzfähigkeit und natürlich um den Profit.

Bürgerrechte vs. Wirtschaft, Datenschützer vs. Datensammler – ein Kampf um die künftigen Spielregeln im Internet – und weit darüber hinaus.

Lobby & Paste

Nachdem LobbyPlag Anfang des Jahres nachweisen konnte, dass EU-Abgeordnete bei zahlreichen Gesetzestexten großzügig aus Lobbypapieren kopiert hatten (Lobby & Paste), haben wir uns jetzt darauf konzentriert, die Änderungsanträge inhaltlich zu bewerten. Wir wollten wissen: Wer spielt welche Rolle bei den Verhandlungen? Wer möchte den Gesetz-Entwurf [PDF], der Anfang 2012 von EU-Kommissarin Viviane Reding vorgelegt wurde, abmildern, wer möchte die Vorschriften verschärfen?

Lobbyistenparty in Barcelona / Foto von IAB Europe
Lobbyistenparty vor 2 Wochen in Barcelona / Foto von IAB Europe

Datenschutzkompass

In den über 3.100 Änderungsanträgen verliert man sich leicht. Die Materie ist hochkomplex, wir haben versucht, sie so verständlich wie möglich aufzubereiten. Dafür haben wir einen Kompass entwickelt, der eine erste Orientierung geben soll, welches Land, welche Fraktion und welche/r Abgeordnete/r den Datenschutz erhöhen oder eher absenken möchte.

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Man kann sich das ein bisschen so vorstellen wie die viel diskutierte Lebensmittel-Ampel: Manche Gesetzesvorschläge enthalten viel Datenschutz, also grün, andere weniger, also rot (was übrigens nicht heißt, dass rot immer negativ ist, genauso wie viel Zucker nicht immer schlecht sein muss). Formulierungen, bei denen wir uns uneinig waren, haben wir neutral, also grau bewertet (wie wir genau dabei vorgegangen sind erklären wir hier).

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Länderpunkte für den Datenschutz

Mit LobbyPlag kann man sich kreuz und quer durch Europa klicken und auf einen Blick sehen, in welches Lager ein Land, eine Fraktion oder ein einzelner Abgeordneter fällt. Man kann aber auch gezielt nach einzelnen Artikeln suchen und sich darüber informieren, wer welche Position bei einem bestimmten Spezial-Thema vertritt.

Checks & Balances

Obwohl wir für unsere Bewertung viel Aufwand betrieben haben und unsere Ergebnisse durch eine doppelte Kontrollschleife haben laufen lassen, möchten wir nicht ausschließen, dass uns bei 3113 Änderungsanträgen nicht doch der eine oder andere Fehler unterlaufen sein könnte.

Stolzer Träger der LobbyPlakette am blauen Band: Der Herr Voss von der CDU

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Axel Voss, CDU – Keiner schwächt – rein quantitativ – den Datenschutz im EU-Parlament wie er (Collage/Foto: axel-voss-europa-de)

Die Kontrolle unserer Bewertungen ist simpel: Ein Klick auf die Nummer/Überschrift eines Antrags öffnet den zugrundeliegenden Gesetzestext. Die Änderungswünsche des Antragsstellers sind farblich markiert: rot für Streichungen, grün für Ergänzungen. Schwächen die Änderungen den Datenschutz im Vergleich zur ursprünglichen Fassung, haben wir den Rahmen rot gefärbt. Stärkt die Änderung den Datenschutz, ist der Rahmen grün.

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Wer auf einen Fehler stößt, kann uns mit dem „Report“-Button eine Nachricht schicken. Parallel dazu eröffnen wir zu jeder umstrittenen Bewertung einen Diskussions-Thread, um die Debatte transparent und für alle Besucher unserer Seite nachvollziehbar zu machen.

Crowdsourcing statt Hinterzimmering

Genau dieser Crowdsourcing-Ansatz war von Anfang an auch erklärtes Ziel von LobbyPlag: Wir möchten eine ergebnisoffene Debatte über dieses wichtige Thema in Gang bringen, das bislang eher auf den Korridoren oder in den Hinterzimmern in Brüssel diskutiert und ausgehandelt wird.

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Unterschriftenaktion der Aktivistengruppe Digitalcourage vor dem Berliner Innenministerium / Foto: digitalcourage CC BY-SA

Schreib mal wieder

Um zu helfen, die Distanz zwischen Brüssel und Bürgern abzubauen, haben wir auf lobbyplag.eu jetzt auch eine E-Mail-Funktion integriert (wird im Laufe des Tages freigeschaltet). So können Bürger auf direktem Wege eine Frage oder Nachricht an einen oder gleich mehrere EU-Abgeordnete schicken.

Für Journalisten soll LobbyPlag eine Hilfestellung sein, sich im Paragrafen-Dschungel dieser Mega-Verordnung besser zurecht zu finden. Unsere Datenbanken stehen jedem offen, sollen auch in Zukunft laufend aktualisiert und verbessert werden.

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Danke!

Wir hoffen, dass wir mit unserer Arbeit die Erwartungen aller Spender erfüllen konnten, die uns Anfang des Jahres bei Krautreporter unterstützt haben. Der Plan ist es, lobbyplag weiter auszubauen und auf andere Themen und Gesetzgebungsverfahren zu erweitern. Für Ideen und Vorschläge zur Finanzierung sind wir immer dankbar.

lobbyplaketteIn dieser Reihe erschienen:

LobbyPlag – Die Copy & Paste-Gesetzgeber aus Brüssel

Neues von LobbyPlag

LobbyPlag: Die Datenfänger von Gütersloh

Bertelsmann: Kindergärten angetestet

LobbyPlag meldet sich zurück

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9 Kommentare
  1. […] Marco Maas, Martin Virtel, Sebastian Vollnhals, Andrej Sandorf und Richard Gutjahr der zuerst auf “gutjahrs blog” unter der Lizenz CC-BY-SA erschienen […]

  2. […] erklärt und zeigt auf, wer wie viel Textvorlage “zu Papier” gebracht hat. Gutjahr schildert in seinem Blog […]

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