Horst Seehofer – in der CSU nennen sie ihn Mr. Facebook. Doch bei Kritik im Web kennen seine Administratoren kein Pardon: gelöschte Kommentare, das Blocken von Diskussionsteilnehmern – und das ohne jede Vorwarnung.

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Für Horst Seehofer könnte dieser Wahlkampf nicht besser laufen: Die Umfrageergebnisse 7 Wochen vor der Bayern-Wahl sind glänzend. Sein Herausforderer von der SPD macht – wenn überhaupt – mit einer missglückten Wahlkampagne auf sich aufmerksam. Sogar die Wähler aus anderen politischen Lagern bescheinigen dem CSU-Chef, dass er ein guter Ministerpräsident ist.

Kurz – alles könnte so einfach sein. Wäre da nicht dieses eine Problem: Gustl Mollath.

Angst vor dem Zorn der Wähler

Was Edward Snowden und die NSA-Affäre für Angela Merkel ist, ist Gustl Mollath für Horst Seehofer. Ein unkalkulierbares Risiko, das durchaus das Potential besitzt, den Ausgang der Wahl noch negativ zu beeinflussen. Wie schnell sich im Neuland Stimmungen zu unkontrollierbaren Protesten ausweiten können, ist auch den Christsozialen nicht verborgen geblieben. Ich selbst habe im Auftrag der Bayerischen Staatskanzlei zwei Diskussionsrunden zu diesem Thema geleitet u.a. mit Frank Schirrmacher und Anke Domscheit-Berg.

Vielleicht ist es diese Angst vor dem Wähler, die Seehofer und seine Wahlhelfer so nervös werden lassen, jedesmal wenn im Netz der Name Mollath fällt. Bereits im Mai musste sich eine Professorin aus Sauerlach gegenüber Polizisten rechtfertigen, nachdem sie über Mollath und Justizministerin Merk getwittert hatte (dazu der Blogpost: Nach Mollath-Tweet – Besuch von der Polizei). Jetzt blockieren die CSU-Administratoren das Facebook-Konto einer Mollath-Unterstützerin, weil diese angeblich „tausendfach“ spamme.

Fragen ja – aber keine allzu kritischen

Dabei hatte Seehofer das Volk doch selbst dazu aufgerufen, im Vorfeld seiner Wahlkampf-Veranstaltungsreihe „Seehofer direkt“ Fragen zu stellen. Der Ministerpräsident persönlich wolle am Montag 19 Uhr in einem Livestream aus Deggendorf diese Fragen beantworten: „Ohne lange Vorrede. Direkt. Live.“ wie es auf der CSU-Webseite heißt.

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Auch die Münchnerin Gabi Müller (Name geändert) hat von dem Angebot Gebrauch machen wollen, ihrem Landesvater eine Frage zu stellen. Als die 54jährige am Freitag unter ihrem Web-Namen „Nixe Muschelschloss“ ihr Anliegen auf der Event-Seite von Horst Seehofer formulierte, verschwindet ihr Beitrag nach wenigen Minuten wie von Geisterhand – ohne Vorwarnung oder Hinweis auf den Verstoß irgendwelcher Netiquette.

Wird hier zensiert?

Andere Facebook-Nutzer beginnen sich zu wundern. „Wird hier zensiert?“ fragt Steffen Richter. Gesine Wehr würde gerne wissen, worum es bei dem Kommentar von Muschelschloss eigentlich gegangen ist. „Reaktionsschnelligkeit“, so eines der Ziele, das man sich bei der mit viel Tam Tam zelebrierten Eröffnung der CSU-Wahlkampfzentrale Anfang des Monats gesteckt hatte. Sieht so aus, als ginge die Rechnung auf.

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Die Lösch-Aktion scheint Methode zu haben. Bereits im Mai hatten die Seehofer-Leute „Nixe Muschelschloss“ bei Facebook sperren lassen. Einfach so. Ohne Angabe von Gründen. Facebook hat diese (temporäre) Sperre mir gegenüber schriftlich bestätigt (ohne dabei den „Anschwärzer“ selbst preiszugeben). Gabi Müller wundert sich: „Ich poste doch nichts Verbotenes. Der Fall Mollath bestürzt mich zutiefst und ich will, dass diese ganze Angelegenheit endlich aufgeklärt wird.“

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Ich wünschte mir, dass Seehofer es liest

Wer durch die Facebook-Timeline von Horst Seehofer scrollt, trifft dort häufiger auf den Namen „Nixe Muschelschloss“. Die Mollath-Unterstützerin postet manchmal 2-3 mal am Tag auf Seehofers Facebook-Seite (wie viele andere Besucher), dann aber auch wieder Wochen lang gar nichts. Beiträge der Münchnerin, die man als beleidigend oder als Spam klassifizieren könnte, sind mir dabei nicht begegnet.

Meist nutzt Nixe Muschelschloss das Forum, um auf Zeitungsartikel oder Fernsehbeiträge hinzuweisen, die sich mit dem Fall Mollath beschäftigen. „Ich möchte niemanden angreifen, sondern informieren“, so Gabi Müller. Und dann sagt die gelernte Bürokauffrau noch etwas, irgendwie rührendes: „Und ich wünschte mir natürlich, dass Horst Seehofer das vielleicht liest“.

Weg mit der „Spamtante“

Seehofer liest offenbar nicht, er lässt löschen – oder handeln seine Mitarbeiter im vorauseilenden Gehorsam? Öffentlich gefällt sich der Ministerpräsident als Verfechter einer „Kultur des Dialogs, Transparenz, offene Auseinandersetzung und ehrlicher Meinungsaustausch“. Wie geht das zusammen? Anruf bei Jürgen Fischer, CSU-Pressesprecher. „Wir löschen Fragen oder Dinge auf unseren Facebookseiten nur wenn sie rassistisch sind, Naziparolen oder extreme Beleidigungen“, sagt er.

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Auf die eher unverdächtigen Kommentare von Nixe Muschelschloss angesprochen, fällt ihm noch ein weiterer Grund ein, wann die Administratoren eingreifen: Die Nutzerin Muschelschloss spamme – Zitat – „tausendfach“ die Seite. Darum habe man sie auch wiederholt blockiert, „aus Notwehr sozusagen“. Im Verlauf des Telefonats bezeichnet der CSU-Sprecher die Münchnerin als „Spamtante“, wohl sowas wie der bayerische Fachausdruck für einen weiblichen Troll.

Persönliches Fazit

Man kann auf unangenehme Kommentare im Netz eingehen – man kann sie auch ignorieren. Was man meiner Meinung nach aber gar nicht kann, ist, die Bürgerinnen und Bürger dazu aufzurufen, Fragen zu stellen, um dann kritische Beiträge gleich wieder zu löschen – „Hausrecht“ hin oder her.

„Zensur“ würde ich ein solches Verhalten nicht nennen, sondern einfach nur Dummheit.

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Wer möchte, kann auf der Event-Seite Seehofer direkt noch bis zum Montag Abend Fragen an den CSU-Spitzenkandidaten formulieren. Die Liveübertragung aus Deggendorf beginnt Montag um 19 Uhr auf dieser Seite. Der Twitter-Hashtag lautet #seehoferdirekt

Meinungen? Ich schalte alle Eure Kommentare frei …sofern sie mir gefallen! (evilgrin)

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52 Kommentare
    • Richard schreibt:

      Danke – hatte es hier auch gerade gepostet ;-)

  1. Richard schreibt:

    Interessanter Kommentar gerade auf Facebook: Auch Frank-Walter Steinmeier ließ offenbar kritische Kommentare löschen: http://waschtrommler.org/2011/09/07/frank-walter-steinmeier-lscht-sich-kommentare-auf-g-schn/

    • Mag ja sein, dass Steinmeier ähnlich verfährt, aber das ist eine andere Geschichte. Hier geht es um Mollath und bei dem Fall ist so viel im Argen, dass einfach die Vermutung nahe liegt, schon lange, dass sie das auf jeden Fall bis nach der Wahl strecken wollen, während meiner Meinung nach eine umfassende Klärung längst notwendig gewesen wäre.
      Ich stelle mir vor allem aus der Ferne heraus die Frage, wie es sein kann, dass das nicht erdrutschartig am Stimmenpotential für die CSU nagt. Ich kenne ja den SZ-Druck in Bayern nicht, aber steht das im Süden nicht in der SZ, so wie online? Selbst Prantl hat ja schon dazu geschrieben und auch ansonsten ist die SZ die Zeitung, die das Thema schürt.

    • Roland schreibt:

      Hm… naja, allerdings ist dieser Fall schon ziemlich alt (September 2011).

      • giovanni schreibt:

        was soll an diesem Fall alt sein ? Die erste bedeutendere Erwähnung in einem grösseren Medium ? und was soll dies besagen ? Ist damit der Fall gelöst ?

        Zeitgeist: „Boah… schon wieder dieser Mollath, nimmt denn das nie ein Ende ?“ Offensichtlich nicht, der Mann sitzt immer noch. Und entgegen dem Mainstream verflacht sich die Debatte auch nicht, nein sie verstärkt sich dauernd. Denn entgegen anderslautenden Behauptungen handelt sich beim Problem Mollath nicht um einen Eintagsfliegen-Hype, sondern um einen sehr Ernst zu nehmender Super-Gau unseres Rechtssystems.

        Und da wird die Verwendung der Bezeichnung „alt“ (und gelöst) leider noch lange auf sich warten lassen müssen…

        • Roland schreibt:

          Erstens ging es in einem Kommentar nicht um den Fall Mollath (bitte erst den kompletten Thread lesen, dann schreiben!), sondern um den Umgang vom Team Steinmeier mit Kommentaren bei Google+, und zweitens spielt da das Alter natürlich schon eine Rolle. Zumindest müsste man nochmal überprüfen, wie das Team Steinmeier das heute macht, um die Aussage „Das Team Steinmeier macht das soundso“ zu tätigen.

          • giovanni schreibt:

            ok sorry. Ich habe Deinen sehr kurzen Post falsch interpretiert.

          • borgdrone schreibt:

            Das Team Steinmeier macht das am 30.06.2012 dann in FB gleich nochmal. http://waschtrommler.org/2012/06/30/frank-walter-steinmeier-lscht-sich-die-kommentare-auf-facebook-schn/

            Und im Grunde ist es Wurst wann das stattfindet. Der Tenor liegt auf „das“ es stattfindet. Und es zeigt auf, das man mit dem Social Network nicht in der Lage ist umzugehen.
            Hab noch Screenshots von ganz anderen Pappenheimern, bei denen Kommentare entweder nicht veröffentlicht werden oder gelöscht. Das Screenshoten ist somit schon ein guter Freund geworden und hat sich nicht wenig als nützlich erwiesen.

          • Richard schreibt:

            Traurig – danke für den Hinweis! Es gibt offenbar noch viel zu lernen im Lösch- ich meinte Neuland.

Willkommen!