Diesen Artikel gibt es auch auf: Englisch

Die Digitalisierung der Gesellschaft schreitet voran. Big Data und das Internet der Dinge sind drauf und dran, unsere Welt auf den Kopf zu stellen. Die Frage, auf die bei der DLD-Konferenz in München niemand eine Antwort hatte: Was machen wir eigentlich mit den Millionen von Arbeitskräften, die in Zukunft nicht mehr gebraucht werden?

 

dldstage

 

Das Web auf Zerstörungskurs

„The Arab Spring?!“ – Andrew Keen ist nicht zu bremsen. „Yes, Mike…!“ flanscht der Brite seinen Landsmann voller Sarkasmus an: „…What about the Arab Spring?!“ Das Internet habe die Ägypter nicht befreit, sondern ins Chaos gestürzt. – „Aber wir brauchen doch Innovation, um die drängenden Probleme unserer Zeit zu lösen…“ winselt der Moderator kleinlaut. „…wir haben zu wenig Kinder!“ – Nun kommt sein Gegenüber erst so richtig in Fahrt: „Der Grund, weshalb wir so wenig Kinder haben, ist, weil wir die ganze Zeit mit unserem iPhone spielen!“.

Mike Butcher weiß an diesem Tag nicht, wie ihm geschieht. Eine zukunftseuphorische Technologie-Konferenz wie der DLD, eigentlich ein Heimspiel für jeden Techie; hier, im Zwiegespräch mit seinem streitbaren Interviewpartner, wird der TechCrunch-Redakteur auf offener Bühne gegrillt.

 

Gloom and Doom

Andrew Keen ist auf Werbetour durch Europa. Der Tech-Kritiker hat ein Buch geschrieben (Das Digitale Debakel, Amazon Partnerlink), und klar, das will verkauft werden. Doch von den wohlkakulierten Knalleffekten einmal abgesehen, würde man es sich zu einfach machen, Keen so ohne weiteres in die Krawall- oder Technophobie-Ecke abzuschieben. Der 55jährige Brite lebt in Berkeley, ist im Silicon Valley gut vernetzt.

Anders als die meisten Speaker der Konferenz (vom EU-Oberregulator Günther Oettinger einmal abgesehen), glaubt Andrew Keen nicht an die allheilbringenden Segnungen des Webs. Im Gegenteil: er hält das Internet und seine Pioniere sogar für zerstörerisch, allen voran Star-Investor Peter Thiel, die Google-Gründer Larry Page und Sergej Brin, sowie Facebook-Gründer Mark Zuckerberg.

 

 

Zu schön um wahr zu sein

Was vor lauter Bühnendonner beinahe untergeht in der Diskussion, sind gesellschaftliche Fragen, die sich wie ein roter Faden durch die gesamte Konferenz ziehen. So zum Beispiel das Problem, was eigentlich aus den Abermillionen Menschen werden soll, die durch Big Data und Automatisierung ihre Jobs verlieren.

„Uber-Mensch“ Travis Kalanick etwa, Gründer des mit 40 Milliarden Dollar bewerteten Startups „Uber“, ist in seinem Vortrag sichtlich bemüht, immer wieder zu betonen, wie viele neue Arbeitsplätze er mit seinem auf Effizienz getrimmten Fahrdienstservice schaffen will.

Bei aller Begeisterung für Mut, Innovationskraft und Unternehmergeist des Amerikaners, irgendwie beschleicht einen als Zuhörer das Gefühl, dass da irgendwo an der Sache ein Haken ist. Denn was aus den unzähligen Jobs werden soll, die durch seine Idee sprichwörtlich auf der Strecke bleiben, darüber verliert der smarte Kalifornier kein Wort.

 

travis_kalaniak 2
UBER-Gründer und CEO Travis Kalanick, 38, in München

 

Die Schicksalsfrage

Cut the middlemen bis eines Tages niemand mehr übrig ist – was also tun mit den Millionen von Menschen, für die es Zukunft keine Verwendung mehr geben wird? Werden wir eine Spaltung der Gesellschaft erleben, in der nur noch eine kleine, gut ausgebildete Elite arbeiten wird und der Großteil der Bevölkerung als nutzloses Präkariat von einem staatlichen Grundeinkommen lebt?

Probleme, für die weder der smarte Tech-Milliardär, noch die anwesenden Investoren oder EU-Politiker eine Lösung parat haben. Wenn wir davon ausgehen müssen, dass die Digitalisisierung unserer Welt weiter so schnell voranschreitet, wie in den letzten Jahren, dann sollten wir uns beeilen, bald Antworten auf diese Fragen zu finden.

 

dldfoto

 

dldlogo

Weitere Highlights

Weil das Programm beim DLD erfahrungsgemäß stramm organisiert und getaktet ist, war es auch in diesem Jahr unmöglich, alle Wunsch-Panels live zu verfolgen. Wie gut, wenn man sich da mit ein paar Gleichgesinnten zusammentun und über die persönlichen Highlights austauschen kann.

In meinem speziellen Fall erfolgte das mit dem großartigen Jeff Jarvis (buzzmachine.com), mit dem Finanzanalysten Daniel Kröger (wiesaussieht.de) und dem Media-Multitalent Daniel Fiene (wasmitmedien.de).

 

Die Links zu den im Video angesprochenen Themen und Sessions:

Hat Ihnen der Beitrag gefallen?
Bitte unterstützen Sie mein Blog mit einer Spende.

Schreibe einen Kommentar zu Stephan Dörner Antworten abbrechen

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Notwendige Felder sind mit * markiert.

10 Kommentare
  1. eugen schreibt:

    Interessanter Beitrag! Wenn man bedenkt, dass sich diese Frage bei jeder Veränderung der Gesellschaft & Erhöhung der Produktivität gestellt wurde, es aber in den letzten ca 150 Jahren nie zur prognostizierten Massenarbeitslosigkeit gekommen ist, kann man evtl davon ausgehen, dass Panik unbegründet ist ;)

    Andere Prognosen stellen tausende neue Jobs in Aussicht, sowohl auf Seiten der Forschung als auch Staat und (neue) Unternehmen – dank Big data und der vielen Möglichkeiten. Dennoch finde ich den Gedanken eines BGE sehr spannend, darüber wird in den nächsten zehn Jahren sicher noch viel gesprochen…

  2. Stephan Dörner schreibt:

    „Was folgt auf die Entwertung auch anspruchsvollerer menschlicher Tätigkeiten durch Computer? Wenn wir Glück haben, rückt dadurch endlich das entscheidende wirtschaftspolitische Thema des 21. Jahrhunderts in den Mittelpunkt: Wie verteilen wir die Früchte der Automatisierungsdividende? Der Begriff beschreibt die Tatsache, dass uns der gesamtgesellschaftliche technische Fortschritt bei immer weniger notwendiger menschlicher Arbeit immer reicher macht, weil ein wachsender Teil der Wertschöpfung von Maschinen übernommen wird.“

    http://t3n.de/news/digitalisierung-587646/

    • Richard schreibt:

      Schöner Beitrag – kommt auf die Leseliste!

Willkommen!