Die Digitaltechnik hat Postkarten und Dia-Abende gekillt. Doch nicht zu früh gefreut: bald nerven uns Freunde und Kollegen wieder mit ihren Urlaubsfotos – via Handy und Facebook.

Wie oft schimpfen wir auf die Technik, in vielen Fällen völlig zu Recht. Doch manchmal, da muss man dankbar sein. Dankbar dafür, dass es keine Dia-Abende mehr gibt. Vor noch nicht allzu langer Zeit, in der analogen Welt, war es durchaus üblich, seine Nachbarn unter falschem Vorwand zu sich nach Hause einzuladen, um diese hemmungslos mit seinen Dias vom letzten Spanien-Urlaub zu langweilen. Die Nachbarn wiederum rächten sich dann im Folgejahr mit einem Best-Of-Vortrag „Zehn-Jahre-FKK-Campingurlaub-in-Brindisi“.

Das liegt zum Glück hinter uns, die Digitalkameras haben dem Dia den Todesstoß versetzt. Dafür nerven uns heimkehrende Freunde und Kollegen neuerdings mit ihren Schnappschüssen auf dem Handy („Nein, ich bin noch nie im Meer auf einer solchen gelben Banane geritten!“). Schlimmer: Manch Schläfer aus der inzwischen im Untergrund agierenden Dia-Fraktion hat für seine Urlaubsbilder eine eigene Website angelegt. Tendenz: aus-ufernd.

Der gemäßigtere Flügel dagegen greift für seine Urlaubs-Propaganda noch immer gern zum Hochglanzpapier. Das Problem: weil auf eine einzige Memory-Karte mehrere Tausend Fotos passen, wird auch entsprechend produziert. Ob Mega- oder Gigapixel, die Ergebnisse sind dabei keineswegs anschaulicher geworden.

Mein Mitgefühl an dieser Stelle gilt den Fotolaboren. Dort müssen die Mitarbeiter Jahr für Jahr ihre Maschinen mit den immer gleichen Motive füttern: Vati und Mutti vor dem Eiffelturm, dem Kolosseum oder vor den Pyramiden. Während der Hintergrund variiert, bleibt der Vordergrund stets identisch, inkl. der Tennissocken und Aldiletten.

Besonders beliebt: die Nachtaufnahme. Vorne: zwei kreideweiß ausgeblitzte Gestalten, dahinter (dort, wo sich beispielsweise die imposante Skyline von Manhattan in den Nachthimmel bohrt): Nichts. Gar nichts. Eine schwarze Wand. Ob New York, Rio, Tokio – Bilder wie aus der Geisterbahn.

Weil alle Foto-Laborversuche fehlgeschlagen sind, die Menschheit vor solchen Bildern zu bewahren, und weil die Pixel-Polizei in den meisten Fällen zu spät kommt, setzt die Branche neuerdings auf Prävention. Pocket-Kameras mit integriertem Geschmacksfilter. Dabei soll ein neu entwickelter Fremdschamsensor die größten visuellen Verbrechen verhindern, indem er miese Motive erkennt und eine Speicherung verhindert.

Die ersten Modelle sollen auf der Photokina (21.-26. September) vorgestellt werden. Bis dahin heißt es: stark bleiben, gute Miene zu schlechten Fotos machen und vor allem: immer schön lächeln.


Meine Kolmune findet Ihr jeden Freitag neu im Kultur & Medien-Teil der. Münchner Abendzeitung.

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3 Kommentare
  1. mayumi schreibt:

    Hallo, Richard!
    Heute schreibe ich ersten Brief(Comment) aus JAPAN.
    Vor 8 Jahre habe ich in Hamburg gewohht.(2 Jahre lang)
    Jede Nacht habe ich „die Rundschau“ gesehen.
    Letzte Woche habe ich „G!“ gefunden. Ich freue mich sehr, weil ich Fan von Ihnen bin!
    Ich habe mit großem Interesse gesehen. (mit auch Wörterbuch…!)
    Ich freue mich auf das nächstes Mal! Wieder möchte ich schreiben.
    (Ich entschludige mich, daß ich nicht gut Deutsch schreiben kann.)

  2. Sven Hennig schreibt:

    Na wobei…

    ob ich mir von (m)einer Kamera vorschreiben lassen möchte was gespeichert wird und was nicht… ich nicht!

    Da schmeiss ich lieber selber die Bilder von der Karte.

Willkommen!