Mögen die Bildschirme bald so flach werden wie das Programm; dass sich das Fernsehen in den letzten 50 Jahren kaum weiterentwickelt hat, liegt nicht an der Technik, sondern daran, dass den Leuten, die Television machen, vor allem eines fehlt: die Vision.

Gestern habe ich die Zukunft des Fernsehens gesehen. Nicht auf der IFA in Berlin. Auf meinem iPhone. Ich saß mit Freunden in einer Münchner Kneipe. Vor uns: ein iPad, ein iPhone 3GS und das iPhone 4. Auf allen Bildschirmen lief das gleiche Programm: der Apple-Livestream aus dem Yerba-Buena-Center for the Arts in San Francisco. Eine Keynote von Steve Jobs als Live-Video, so etwas hatte es lange nicht mehr gegeben. Das eigentliche Besondere war, dass der Stream technisch speziell auf (mobile) Apple-Geräte ausgerichtet war und noch dazu fantastisch klappte.

Ob iPhone oder iPad – überall ein gestochen scharfes Bild (zugegeben: mit gelegentlichen Aussetzern). Toll: Die hervorragende Bildqualität blieb auch dann noch erhalten, als ich später mit dem iPhone in der Hand das Lokal verließ und vom WiFi- auf das mobile 3G-Netz wechselte. Ich habe schon viel gesehen, aber Live-TV auf einem Handy, in dieser Qualität, das war echt beeindruckend.

Die Präsentation selbst bestand zum großen Teil aus der alljährlichen iPod-Verkaufsshow. Doch dann stellte der Apple-Boss noch ein paar weitere Neuerungen vor, und plötzlich schloss sich der Kreis. Mit Airplay will Apple in Zukunft das Streamen von Medien – zum Beispiel von iPad zur Stereoanlage ermöglichen. Mit der zweiten Generation von AppleTV geht der Computerbauer einen Schritt weiter: auch Video soll demnächst zwischen allen (Apple-) Geräten austauschbar sein. Habe ich beispielsweise einen Film unterwegs auf dem iPhone angefangen, kann ich ihn zuhause auf dem Fernseher weiterschauen.

AppleTV – die Zukunft des Fernsehens? Vielleicht. Allerdings nicht das Gerät, auch nicht die Software – sondern die Idee dahinter. Und die fehlt den Platzhirschen in der TV-Branche. Mögen die Bildschirme bald so flach werden wie das Programm; dass sich das Fernsehen in den letzten 50 Jahren kaum verändert hat, liegt nicht an der Technik, sondern daran, dass den Leuten, die Television machen, vor allem eines fehlt: die Vision.

Wenn in diesen Tagen auf der IFA wieder jede Menge „Innovationen“ gefeiert werden, findet die eigentliche Revolution ganz woanders statt. Und zwar mitten in der Einöde von North Carolina. Hier errichtet Apple gerade ein „big-ass“ data center, eine gigantische Serverfarm, so groß wie sonst nur die Rechencenter von Google. Dort will Apple demnächst seine Daten lagern, darunter auch, so darf vermutet werden, Musik- und TV-Angebote sowie Filme. Laut Apple-Vize Tim Cook auf der letzten Bilanz-Pressekonferenz soll das Datencenter Ende des Jahres fertig gestellt und einsatzbereit sein.

Anders als bei der Musik oder beim Mobiltelefon tut sich Apple jedoch schwer, das Fernsehen neu zu erfinden. Warum das so ist, das hat Steve Jobs bei der D8 Conference im Frühjahr auf Nachfrage eines Zuschauers erklärt:

Vergessen wir für einen Moment mal Apple. Vergessen wir Google. Vergessen wir die IFA, die vielen tollen Geräte, Bildschirmdiagonalen, Pixelzahlen – das alles. Die Zukunft des Fernsehens ist nicht der 3D- oder der Hybridfernseher.

Die Zukunft des Fernsehens ist für mich eine Kombination aus den folgenden 5 Punkten:

  1. Einfache Bedienbarkeit
  2. Preis
  3. Angebot / Auswahl
  4. Qualität
  5. Community

1. Einfache Bedienbarkeit

Eine der spannendsten Momente der Apple-Präsentation war der Moment, als Steve Jobs auf die Schwächen der Konkurrenz verwies. „Die Leute wollen keinen Computer auf ihrem Fernseher“ – eine volle Breitseite gegen Google, noch bevor die angekündigte Google-TV-Box überhaupt vorgestellt wurde. „Für Leute in der Computer-Industrie ist sowas schwer zu verstehen, aber für die Benutzer ist das leicht zu verstehen.“ Jobs, der alte Besserwisser? Ja. Weil er schon oft genug bewiesen hat, dass er es tatsächlich besser weiß!

2. Preise

Apple hat die TV-Bosse (wie seinerzeit die Musik-Industrie) versucht davon zu überzeugen, dass sie mit Ihren Preisen runter gehen müssen. 99 Cent Rentals für eine Folge Lost, Simpsons oder Mad Men. Werden die Menschen für etwas zahlen, das man sonst auch gratis sehen kann? Ich bin der Meinung: ja, sie werden – solange es schnell und einfach geht. Der Mehrwert: Sehen was immer, wann immer und wo immer man will. 99 Cent? Geschenkt.

3. Auswahl

Hier muss Jobs noch die größte Überzeugungsarbeit leisten. Bis auf abc (gehört zu Disney, an dem Jobs 10 Prozent der Anteile hält) und Fox (gehört zu Murdoch, der das iPad liebt) haben alle anderen Networks bisher abgewunken. „Die werden sich auch noch anschließen“, so der Apple-Boss, „wenn. sie ihren Moment der Erleuchtung haben“.. Besser laufen die Geschäfte mit Hollywood: die strategische Allianz mit Netflix ist genial. Damit kann Apple nun endlich auch Filme anbieten, auf die man über AppleTV noch keinen Zugriff hatte.

4. Qualität

Ohne qualitativ hochwertige Inhalte, kein Erfolg. Jobs sagt: Die Menschen wollen Hollywood-Filme und hochwertige TV Serien – keine Amateur- und keine Low-Budget-Produktionen. Ohne guten Content verblassen selbst die schönsten Bildschirme.

5. Community

Menschen lieben es, Dinge miteinander zu teilen. Eine Tatsache, die auch Apple lange Zeit sträflichst vernachlässigt hat. Mit Ping startet nun auch Apple sein eigenes Soziales Netzwerk. Ob Ping Giganten wie Facebook & Co eines Tages das Wasser reichen kann, ist eher unwahrscheinlich. Google hat sich auf diesem Feld bereits wiederholt die Finger verbrannt. Dennoch bin auch ich davon überzeugt, dass das Fernsehen eines Tages einen Marktplatz braucht, auf dem man sich parallel zum laufenden Programm austauschen, die jeweiligen Sendungen bewerten kann.

Fazit: AppleTV ist alles andere als ausgereift. Ein Provisorium, bis die wirklich dicken Bretter gebohrt werden (Technik, Lizenzen, Inhalte). Und dennoch: Gestern habe ich die Zukunft des Fernsehens gesehen. Nicht in Berlin und nicht auf einem Fernsehgerät. Auf meinem iPhone.


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9 Kommentare
  1. Jens Best schreibt:

    Immer wenn du über Apple schreibst, wandert dein journalistisch kritischer Anspruch in die Tonne.

    Wenn du „einfachheit“ als Erkenntnis der Jobschen Genialität ansiehst, dann müsstest du doch die ÖR-Fernsehmacher, die uns Pilcher und Musikantenstadl schenken auch total visionär finden, die machen doch angeblich auch genau das, was die Leute wollen – billigen Schwachsinn, bei dem man nicht viel überlegen muss.

    Auswahl wird sehr spannend werden. Wer wird die heiligen Hallen des AppleTV als Anbieter betreten dürfen? Muss man dafür extra Geld in die Hand nehmen? Wird jede Pilotsendung von Job persönlich bewertet und dann erst in die scheinheiligen Hallen der „qualitätskontrollierten“ Contentwelt aufgenommen.

    Würde ein echte „Max Headroom“ auf AppleTV eine Chance haben?

  2. Peter schreibt:

    Ähm du hast 2. und 3. vertauscht.

Willkommen!