Immer wieder schreiben mir pensionierte Studienräte, ich möge bei meinen Moderationen im Fernsehen doch bitte nicht ständig Anglizismen verwenden. Ich? Anglizismen? Niemals! Ich bin natürlich sofort rein ins Internet und hab das Wort erst mal gegoogelt.

Der Vorwurf lautet in etwa wie folgt: ich solle gefälligst deutsch reden und auf diese neumodischen englischen Wörter verzichten. Begriffe wie Shoppen oder Tickets seien ein absolutes No Go, ein absolutes Geht Nicht. Und weil ich mir die Kritik meiner Zuschauer stets zu Herzen nehme, beschloss ich, ab sofort ausländische Begriffe zu meiden.

Man spricht deutsh

Ich setzte mich also vor meine PR, meine Persönliche Rechenmaschine. Als die Fenster-Oberfläche hochgefahren war, startete ich die Schreib-Weichware Wort. Da ertönte mein ichFon: eine KND – Kurznachrichtendienstleistung. Ein Kollege warnte vor einem Rechner-Wurm, der im WWN, im weltweiten Netz unterwegs sei. Schnell öffnete ich den Zwischennetz-Erforscher und fand einen Artikel bei Spiegel Angeleint.. Die Firma Mikroweich empfahl den Einsatz einer Feuerwand. Weiter hieß es, man solle sein Betriebssystem hochdatieren, das entsprechende Programm dazu stünde auf der Firmen-Heimseite zur Runterlade bereit.

Wo ich schon mal im Zwischennetz war, rief ich mein Netztagebuch auf. Wie wohl mein letzter Eintrag angekommen war? 12.000 Einschläge – das musste ich natürlich sofort zwitschern. Wofür hat man über 5000 Verfolger? Auch bei Gesichtsbuch fand mein Netztagebucheintrag großen Anklang: 70 Gefälle!

Und sie bewegt sich doch

Am Abend hatte ich ein Treffen-Sie-sich in einer französischen Wiederherstellung. Meine Begleitung trug Hohe Hacken und betörenden Durchrauch.Wir aßen Zwischenrippe. Alles lief wunderbar, bis zu dem Moment, als ich sie fragte, ob sie noch Lust auf Geschlecht habe. Sie schaute irritiert und zog ab.

Auf dem Nachhauseweg begann ich zu begreifen, dass Sprache immer auch etwas Lebendiges ist, das einem permanenten Wandel unterliegt. Mögen die Söders oder Sarrazins dieser Republik noch so maulen und in deutschen Talkshows für die Reinheit unserer Sprache kämpfen. Wenn man nicht mit der Zeit geht und sie laufend anpasst, stirbt sie aus. Oder wir.

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Meine Print-Kolumne findet Ihr jeden Freitag im Kultur- und Medienteil der Münchner Abendzeitung.

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13 Kommentare
  1. Schlafmütze schreibt:

    Das verstehe ich schon, aber es es ist nicht ganz „die Pracht der Kunst“! ;-)

  2. Detlef Hauke schreibt:

    Wie wäre es mit’nem Subtitel f.d. o.a. Studienräte? Fänd ich echt groovy! Aber das darf ich wohl auch nicht sagen, oder?

    Aber mal im Ernst – diese Diskussion ist so alt und dämlich, da kann man einfach nur drüber lachen. Es sei denn, man geht die Sache wirklich konsequent an. Also alles raus was nicht germanischen Ursprungs ist – lateinischer, griechischer (ja, das sind die mit den Schulden) oder sonst irgend ein un-germanischer Wortstamm — alles raus. Guckst Du aber, wie ruhig das dann auf einmal wird.

    Ach ja, bevor jetzt einer fragt – das war jetzt ironisch gemeint – Mist, geht ja auch nicht, is’ja griechisch.
    In diesem Sinne – guter Tagebuch-Eintrag!

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