Wie entstehen Medien-Hypes? Welchen Einfluss haben Blogger auf das Agendasetting klassischer Medien? Und: Brauchen wir überhaupt noch Gatekeeper in einer Welt, in der es scheinbar keine Gates mehr gibt?

Schatz, lass uns Schlagzeilen abfilmen

Seitdem ich blogge, lerne ich jeden Tag dazu – nicht etwa nur über die neuen Medien, sondern gerade über die alten. So kommt es mir heute etwas seltsam vor, dass wir Fernsehmacher dazu neigen, die Schlagzeilen, die morgens in der Zeitung stehen, tagsüber für die Abendnachrichten zu „verfilmen“. Haben wir nicht genug eigene Ideen, oder trauen wir uns und unserem eigenen Urteilsvermögen nicht?

Sonntag, 25. September

Agendasetting im Clusterfuck

Themen werden von der Redaktion oft erst als solche wahrgenommen, wenn auch die Konkurrenzhäuser darüber berichten. Andere Geschichten fallen dafür hinten runter oder finden nur mehr unter ferner liefen statt. Redakteure, die sich an Redakteuren orientieren, sind die Regel geworden – eine selbstreferentielle Themenauslese – oder anders ausgedrückt: Agendasetting im Clusterfuck.

So kann es passieren, dass geschichtsträchtige Ereignisse, wie zum Beispiel der arabische Frühling über Tage hinweg nur auf Al Jazeera stattfinden. Meldungen von spanischen Killer-Gurken hingegen werden von Bild bis Tagesschau ins Groteske überzogen.

Dienstag, 27. September (Foto:. Dorin Popa)

Blogger als Trend- oder Agenda-Setter?

Auch in der Blogosphäre kommt es regelmäßig zu Erregungswellen über Themen oder auch Personen. Oft gehen diese von sog. „Influencern“ aus, also von Web-Personalities, die über eine große Stammleserschaft oder Followerzahl verfügen. Diese Alpha-Blogger übernehmen in der Web-Welt quasi die Rolle der klassischen Gatekeeper; Chefredakteure, nur in cooleren Klamotten und mit hipperen Frisuren. Trend- und Agenda-Setter in einer Person.

Meine Beobachtung: Das Internet hat den Aufmerksamkeitsverlauf der alten Medienwelt nicht grundsätzlich auf den Kopf gestellt, sehr wohl aber beschleunigt und um ein paar neue Themen und Blickwinkel bereichert.

Mittwoch, 28. September

We didn’t start the fire – or: …did we?!

Woran liegt es nun aber, dass manche Themen im Web wie in der analogen Welt zum Hype werden, sich wie ein Lauffeuer verbreiten – andere hingegen nicht?

Mit meiner Facebook-Geschichte vergangene Woche habe ich einmal mehr erlebt, wie sich ein Blogpost verselbständigt. Erstaunlich: Das Thema war ganz und gar nicht neu – mit dem Hauptakteur Max Schrems stehe ich schon seit Monaten in Kontakt, über dessen Initiative Europe vs. Facebook wurde schon des Öfteren berichtet.

Donnerstag, 29. September

Eine ähnlichen Verlauf nahmen frühere Blogposts von mir, beispielsweise die Geschichte über den vermeintlich sicheren ePost-Brief der Deutschen Post oder auch die Story über den WeTab-Chef, der Kundenberichte bei Amazon fälschte. Erstaunlich: Nicht immer war ich der Erste mit meinen „Enthüllungen“. Und doch waren es meine Texte, die eine mediale Kettenreaktion auslösten. Beim WeTab endete diese mit dem Rücktritt des Firmenchefs. In der Konzernzentrale der Deutschen Post spricht man intern (wie mir aus zuverlässiger Quelle berichtet wurde). vom „Gutjahr-Gate“.

Donnerstag, 29. September

5 Zutaten für einen Medien-Hype

Was muss also zusammenkommen, damit eine Geschichte im Netz einen derartigen Hype erzeugt, dass diese ihren Weg auch in die traditionellen Medien findet und dort, wie eingangs erwähnt, zig-fach von den unterschiedlichsten Redaktionen reproduziert wird?

Folgende 5 Kriterien habe ich ausgemacht:

1) Das Thema muss für einen Großteil der Leser relevant sein

2) Das Thema muss pointiert und schlüssig aufbereitet sein

3) Die Quelle der Information muss glaubhaft sein

4) Das Timing muss stimmen

5) Der Urheber muss über eine gewisse Bekanntheit verfügen

Das heißt nicht, dass alle diese Kriterien immer erfüllt sein müssen. Jedoch: Je mehr dieser Punkte auf eine Nachricht zutreffen, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie on- wie offline verbreitet wird.

Donnerstag, 29. September

Eure Meinung – Habe ich etwas vergessen?

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17 Kommentare
  1. borgdrone schreibt:

    Medien müssen verkaufen und verkaufen alles was sich an ihnen nicht reibt. Dabei greifen sie wahllos und kostenlos in die Spitzen die im Netz entstehen.

    • Richard Gutjahr schreibt:

      @borgdrone Halte ich für legitim – leider wird die Quelle für die eigene Berichterstattung meist unterschlagen

  2. Ich kann dir nur zustimmen. Angeregt durch einen Facebook-Blogpost, der viel Traffic und Diskussionen auf meinem Blog eingefahren hat, habe ich für die Zeitung „das“ heutige Thema daraus gemacht. Erst im Blog, dann im Blatt! So macht Social-Media Spaß und kann auch im kleinen Rahmen und in kleinen Redaktionen funktionieren!

Willkommen!