Der wachsende Trend zum zeitversetzten Fernsehen stellt Medienmacher und -Regulierer vor ganz neue Herausforderungen: Sollen für Kinder ungeeignete TV-Sendungen in Mediatheken und Smart-TV-Anwendungen tagsüber gesperrt werden?

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Nonlineares Leben

Wie viele Taxifahrer, Krankenpfleger oder Wachdienste gehöre auch ich zu den Nachtarbeitern, so dass ich selten die Chance habe, lineares Fernsehen, schon gar nicht zur Primetime verfolgen zu können. Meistens ist das kein großer Verlust. Dann aber gibt es immer wieder echte Perlen, die ich mir aus den Mediatheken zusammen sammle. Gestern Nachmittag war so ein Moment. Ich wollte mir die erste Folge des TV-Dramas „Unsere Mütter, unsere Väter“ ansehen.

Dazu habe ich nach langer Zeit und viel Frust meinem SmartTV eine neue Chance gegeben (Wer mein Blog gelegentlich liest, weiß, dass ich alles, was zur Zeit als „SmartTV“ verkauft wird, für Schrott halte – aber das ist ein anderes Thema). Viel Kummer gewohnt, bin ich dankbar, dass die ZDF-Mediathek nach geraumer Ladezeit überhaupt startet. Ich klicke mit dem Steuerkreuz meiner Fernbedienung also umständlich durch das tierisch unübersichtliche Programmangebot sämtlicher ZDF-Kanäle, bis ich endlich ans Ziel komme.

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Quelle: ZDF

Positive Überraschung #1

„Unsere Mütter, unsere Väter“ befindet sich tatsächlich im Repertoire. Oft scheitert es ja bereits an den fehlenden Online-Rechten, dass manche Programmangebote in einer Mediathek gar nicht aufzufinden sind.

Positive Überraschung #2

Die erste Folge des Kriegsdramas ist noch nicht der 7-Tage-Regelung zum Opfer gefallen. Ich hole mir (während der smarte Fernseher munter vor sich hin-buffert) schnell noch einen Kaffee, drücke auf Start und sehe dann das hier:

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Sendezeiten für das Internet – ein Paradoxon?

Geht es beim zeitversetzten Fernsehen nicht genau darum, dass man eben nicht abhängig ist von bestimmten Sendezeiten? Genauso gut hätte ich auch eine Pizza beim Lieferdienst bestellen können, um sie mir dann am nächsten Tag selbst abzuholen. Michael Marco vom ZDF antwortet prompt auf meine Nachfrage:

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Auch die Kollegen vom Tatort reagieren sofort und verweisen auf diese Seite zum Jugendschutz.

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Unsere Mütter, unsere Väter …und unsere Kinder!

In meinem Follower-Kreis bilden sich schnell zwei Lager: die einen, die Sendezeiten im Netz generell für doof halten – die anderen, die durchaus Verständnis für eine solche Jugendschutzmaßnahme äußern.

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Zur Verteidigung der TV-Leute: Die Produzenten und Sendeanstalten sind selten diejenigen, die ein Problem damit hätten, dass ihre Filme auch früher laufen. So musste der viel beachtete ARD-Thriller „Operation Zucker“ Anfang des Jahres kurz vor der geplanten Ausstrahlung im Ersten auf zwei unterschiedliche „Härtegrade“ umgeschnitten werden, damit der Film überhaupt in der Primetime laufen durfte.

Und das ist „nur“ Fernsehen. Vor welchen Problemen Politiker stehen, wenn es um den Jugendschutz im Internet geht, haben wir bei der Debatte um den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag erleben dürfen. Sendezeiten und Altersangaben für jede einzelne Webseite waren da nur zwei der vielen glorreichen Ideen, die im Raum standen.

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Quo Vadis Jugendschutz?

Und was tun mit den Mediatheken? Wer entscheidet, was jugendgefährdend ist und was nicht? Die Sender? Der Rundfunkrat? Die Freiwillige Selbstkontrolle?

Frustriert darüber, dass ich mir „Unsere Mütter, unsere Väter“ aus Jugendschutz-Gründen nicht am Nachmittag anschauen darf, klicke ich mit der Fernbedienung weiter. Nur ein Menüpunkt weiter oben, eingebettet zwischen den logo-Kindernachrichten und der gesperrten Serie, entdecke ich die TV-Doku „Vietnam – Krieg ohne Fronten“.

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True Blood

Ich drücke auf Start und sehe bereits in den ersten beiden Sendeminuten, wie Kinder von Soldaten mit Messern traktiert werden, Exekutions-Szenen, Leichname, die an Seilen durch den Dreck gezogen werden. Reale Bilder wohlgemerkt. Nicht nachgestellt, wie in dem Nazi-Drama „Unsere Mütter“, das die fiktionalen Lebensgeschichten von fünf Jugendfreunden aus Berlin erzählt.

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Fiktionale Serien gesperrt – reale Gewalt frei zugänglich?

Am Ende hab ich dann zu AppleTV umgeschaltet und mir eine Folge ‚Game of Thrones‘ angesehen. Das habe ich im Menü auf Anhieb gefunden, der Stream startete sofort, und bezahlt habe ich dafür auch völlig legal und gerne. Aber das wäre dann wieder ein ganz anderes Thema…

Sendezeiten für Mediatheken und das Internet – Eure Meinung?

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34 Kommentare
  1. Ich erachte Sendezeiten für das Internet für hochgradig unsinnig, eben weil es das Internet ist und nicht das lokale Fernsehnetz von Deutschland. Klar, die Inhalte werden für Deutschland produziert usw. aber was ist, wenn man gerade ein paar Monate im Ausland ist und so die einzige Gelegenheit hat Deutsches Fernsehen zu gucken, was man mit dem Zwangsbeitrag als Deutscher ja auch auf jeden Fall mit finanziert und diese Sendezeiten dann nicht in die Freizeit, sondern voll in die Arbeitszeit fallen? Angeblich gibt es ja aber auch Leute hier in Deutschland die um diese Uhrzeit arbeiten müssen. Haben diese Menschen dann einfach mal Pech gehabt, dass deren Tagesrhythmus nicht dem des klassischen Deutschen entspricht, oder was? Das kann es doch echt nicht sein. Außerdem ist es zeitgleich ein Leichtes Actionszenen und Pornographie zu konsumieren, wenn man Portale aus dem Ausland aufruft. Dass Kinder sich nicht die falschen Inhalte ansehen, sollten Eltern und Schulen sicherstellen und nicht die Sendeanstalten indem sie volljährige Zuschauer unangemessen bevormunden. Man kann dabei ja explizit mit Tags oder dergleichen auf den Rechnern lokal installierte Filtersoftware unterstützen. Klar diese ist in der Regel leicht auszuhebeln, aber wenn das Kind das tut sollte das ein Problem der erziehenden Personen sein, denn dann schafft dieses Kind eben auch problemlos die zuvor genannten Inhalte aus dem Ausland zu beziehen, wenn es wirklich will. Diese Einstellung ist vielleicht etwas fatalistisch, aber ich bin hier im Zweifelsfall für die Freiheit, zumal ich es auch für fraglich erachte inwiefern die Inhalte die bei ARD und ZDF wirklich sonderlich schädlich sein können, denn die wirklich harten Sachen laufen ja in der Regel grundsätzlich gar nicht im deutschen Fernsehen, wenn man die wenigen harten Dokus außen vor lässt. Aber mit denen hat man ja scheinbar kein Problem, dass sie auch von Kindern gesehen werden.

  2. Heinrich Förster schreibt:

    Das ist doch alles andere als neu. Ich weiss noch genau dass in den 80ern direkt vor dem Kinderprogramm am Samstag Weltkriegs-Dokus gezeigt wurden. Bei ARD und ZDF sass man in der ersten Reihe, wenn 2 Minuten vor „1, 2 oder 3“ erst mal Leichen im KZ gestapelt wurden. Bei der „Sendung mit der Maus“ war es nicht anders.
    Hat offenbar damals keinen empörten Kinderschützer vor dem Ofen her geholt, wird es auch diesmal nicht. Hat sich bewährt, daran hält man fest…

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