Beziehungen, Freundschaften, Kollegen kommen und gehen. Der Partner, der mich bislang am längsten durch mein Leben begleitet hat, ist ein Computer. Vor fast 30 Jahren hat mir der Apple Macintosh eine neue Welt eröffnet.

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Kann man eine Beziehung zu einer Maschine haben? Kann man Gefühle für einen Gegenstand entwickeln, der einen seit seiner Kindheit begleitet? Kein Teddybär, keine Schmusedecke; ich meine einen industriell gefertigten Kasten, gefüllt mit Platinen, Kondensatoren und Computerchips. 

Liebe auf den ersten Doppelklick

Meinen ersten Mac hatte ich vor 28 Jahren. „Mein Mac“. Klingt gut, stimmt natürlich nicht, denn dieser erste Mac gehörte offiziell meinem Vater, der ihn sich damals für rund 10.000 DM in sein Büro stellte. Ich schaute regelmäßig nach der Schule dort vorbei, um mit „meinem“ Mac spielen zu können.

1985. Ich war 12 Jahre alt und ich hatte natürlich, man wollte ja kein Mädchen sein, den obligatorischen Commodore 64 in meinem Kinderzimmer stehen. Nächtelang kämpfte ich bei Summer Games um Gold und Silber, in The Last Ninja metztelte ich reihenweise Gegner nieder. Doch mit dem Mac hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, gehörte mir die Welt!

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Ein Computer, der mich versteht

Keine schwachsinnigen Basic-Befehlsketten mehr (LOAD“*“,8,1), stattdessen eine grafische Benutzeroberfläche, die man mit einer „Maus“ bedienen konnte. Wie ein Zauberlehrling mit seinem Zauberstab orchestrierte ich den Mauszeiger über den Bildschirm, befahl, Programme zu öffnen oder Dateien in den Papierkorb zu verfrachten. Es war Liebe auf den ersten Doppelklick.

Von allen Programmen (es gab gerade mal eine Hand voll) hatte es mir MacPaint besonders angetan. Ihr müsst wissen, dass ich in der Schule eine Null war. Mathe, Latein und Bio – das war nicht für mich. Zum Glück gab es dann noch Kunst! Problemlos konnte ich Stunde um Stunde am Schreibtisch verbringen, wenn ich wieder an irgendeiner Comic-Geschichte arbeitete.

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Meine frühen MacPaint-Werke aus dem Jahr 1986

Punkt für Punkt, Pixel für Pixel

Farbige Cartoons kamen damals nicht in Frage, denn natürlich wollte ich meine Werke später in der Schule verbreiten und Farb-Fotokopien kosteten ein Vermögen. Um aber reproduzierbare Grau-Schattierungen für handelsübliche Schwarz-Weiß-Kopierer zu erzielen, musste man mit sog. Rasterfolien von Letraset arbeiten. Diese legte man über seine Tusche-Zeichnung und übertrug die gewünschte Musterung, wie ein Rubbelbild auf das Papier (Roy Liechtenstein erhob diese Benday-dots-Technik, dem Pointillismus nachempfunden, zur Kunstform).

Was das mit dem Macintosh zu tun? – Alles. Auch wenn ich eine Weile brauchte, um meine Hand-Bewegungen mit dem Zeiger auf dem Bildschirm zu koordinieren, gelang es mir bald, erste Zeichnungen direkt auf dem Mac anzufertigen. Die Weiterverarbeitung, also das Einfügen von Sprechblasen, Grauschattierungen, das Ausbessern von Fehlern war von da an sprichwörtlich ein Kinderspiel.

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Mit Liebe zum Detail

Auch die Textverarbeitung auf dem Macintosh setzte neue Maßstäbe. Mac-Dokumente wirkten sauberer, aufgeräumter, edler als alle Vorlagen, die man bis dahin mit Schreibmaschine oder PC erstellen konnte. Das lag nicht allein am LaserWriter, den Apple seinerzeit noch mit dem Mac auslieferte. Das Geheimnis waren die Abstände zwischen den einzelnen Buchstaben, das sog. „Kerning“.

Kerning

Unter Kerning versteht man den Weißraum zwischen zwei Buchstaben, der je nach Kombination der Lettern mal größer oder auch mal kleiner ausfallen muss, um vom Betrachter als angenehm empfunden zu werden (s. Abb.). Diese Unterschneidung war beim Buchdruck schon lange üblich, nicht jedoch bei Schreibmaschinen oder PC-Ausdrucken.

Es blieb nicht lange bei Comics oder Aufsätzen, die ich für die Schule verfasste. Wenn MacPaint und MacWrite der Urschlamm waren, aus dem Jahre später Megaseller wie Photoshop und Microsoft Word hervorgehen sollten, so war Pagemaker von Aldus (später Adobe) die Geburt des Desktop-Publishings. Erstmals war es möglich, Texte und Bilder im WYSIWYG-Format (What You See Is What You Get) direkt auf dem Bildschirm zusammenzusetzen.

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Die Zukunft vor Augen

Was das alles für die Medienwelt und den Journalismus bedeutete, sollte ich bald an einem konkreten Beispiel vor Augen geführt bekommen. Es war das Jahr 1989, ich war Austauschschüler in Cheyenne, Wyoming. An meiner High School gab es eine Schülerzeitung, den „Lariat“, der monatlich herauskam und professionell auf Zeitungspapier gedruckt wurde.

Als ich zum ersten Mal das Klassenzimmer betrat, traute ich meinen Augen nicht: in der Ecke des Raumes stand ein alter Bekannter: „Mein“ Macintosh SE! Mrs. Lopez, meine Journalismus-Lehrerin, staunte, dass ausgerechnet „Hans“ aus Germany (mein Spitzname, nach dem Saturday-Night-Klassiker Hans and Frans) mit dem Kasten umgehen konnte.

Ich wiederum staunte, dass hier, mitten in der Einöde des Wilden Wilden Westens, Schülerzeitungen im Ganzseiten-Umbruch auf einem Computer erstellt wurden. Zur Erinnerung: Ende der 80er Jahre wurde an vielen deutschen Schulen noch mit Matrizen gearbeitet (Der Alkohol-Dunst meiner Arbeitsblätter verfolgt mich bis heute).

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Und das war erst der Anfang

An dieser Stelle mache ich einen Cut. Ich könnte fortfahren und schildern, wie der Mac meine Arbeit bei Radio Bayern 3 revolutionierte (ich gehörte zu den wenigen Journalisten, die bereits mit ProTools produzierten, während die Kollegen ihre Beiträge noch analog auf Tonband schnitten). Später dann das gleiche Spiel beim Fernsehen, wo sogar preisgekrönte Reportagen zuhause auf meinem Mac entstanden.

Ob ich unter freiem Himmel vor dem Apple-Store sitze, um zum Verkaufsstart des iPads pubertäre YouTube-Clips nach Hause zu schicken, oder wie (auf die Woche genau)  vor 3 Jahren auf dem Tahrirplatz in Kairo, um von den ersten Tagen einer Revolution zu berichten; mein Mac hat mich stets begleitet, mir Werkzeuge an die Hand gegeben, die meine Arbeit erleichtert und mein Leben bereichert haben.

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Was kann ich damit machen?

Es gibt eine Anekdote von Steve Jobs, der Mitte der 80er Jahre auf einer Promi-Party in Manhattan zu Gast war. Stars wie Keith Haring oder Andy Warhol waren anwesend. Doch Jobs verbringt die meiste Zeit an der Seite eines 9jährigen Jungen, um diesem seinen Mac zu erklären.

Von einem Reporter später daraufhin angesprochen, weshalb der Apple-Chef seine Zeit mit einem Kind und nicht lieber mit den großen Künstlern verbringt, soll Jobs geantwortet haben: „Older people sit down and ask, ‚What is it?’ but the boy asks, ‚What can I do with it?’“

Von Fanboys und Ignoranten

Mein Mac und ich. Fast 30 Jahre gehen wir zusammen durch dick und dünn. Haben uns und unsere Umwelt immer wieder aufs Neue herausgefordert. Wie oft bin ich von Kollegen als Apple-Fanboy verspottet worden: „Du machst doch nur Werbung für ein Produkt!“. Dabei ist es genau umgekehrt. Sie werden es nie verstehen.

Die erste öffentliche Präsentation des Apple Macintosh:

Was war Euer erster Mac? Woran erinnert Ihr Euch?

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19 Kommentare
  1. „Du machst Werbung für ein Produkt!“. Dabei ist es genau umgekehrt.

    In wie fern ist es Umgekehrt?

    • Richard schreibt:

      Die Tools arbeiten für mich. Ich erziele bessere Ergebnisse. Meine Berichte werden sichtbarer und bleiben dadurch besser in Erinnerung.

  2. Kirsten schreibt:

    Ich erinnere mich an die Begeisterung meines Freundes (Architekt) über sein 1. MacBook, das ich für ihn besorgt habe. Aus 2. Hand, denn die Books waren fast 3x so teuer wie ein „normaler“ Laptop. Mein Großvater sagte schon: „Es kann auch etwas billiger sein, aber dann ist es nicht so schön.“

    • Richard schreibt:

      Möchte das noch um einen anderen Spruch ergänzen: „Ich bin nicht so reich, mir billige Sachen kaufen zu können.“ ;-)

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