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Harold Cárdenas Lema aus Havanna ist 30 Jahre alt und schreibt gerade an seiner Doktorarbeit. Zusammen mit einer Hand Mitstreiter will er Kuba reformieren. Wichtigstes Werkzeug: Sein Blog. Ein Gespräch übers Bloggen, über Obama und die Zukunft von Kuba.

 

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Luxusgut Internet

Das Internet auf Kuba steckt noch in den Kinderschuhen. Bis vor kurzem gab es hier nur über die Universitäten und Hochschulen Zugang zum Netz. Neuerdings dürfen Kubaner auch Smartphones besitzen. Apps werden in physischen App-Stores via Festplatte auf das Telefon gespielt. Erst seit kurzem gibt es an öffentlichen Plätzen und vor den Hotels WiFi-Netze, die sich mit Telefonkarten freischalten lassen (2 CUC = 2 Dollar pro Stunde).

Harold ist Blogger der ersten Stunde. Als junger Lehrer gehörte er zu den Privilegierten, die schon früh über die Universität Zugang zum Internet hatten. Heute leistet er sich Internet von seinem Ersparten. 20 Minuten pro Tag, mehr ist nicht drin. Mit dem, was er als Kubaner verdient, kommt er nicht weit. Umgerechnet 30 Dollar pro Monat, das ist hier das höchste Monatseinkommen.

 

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Das Leben auf Kuba  

Der Alltag auf Kuba ist hart. Die Menschen leben noch immer von rationierten Lebensmitteln. Jeden Monat gibt es beispielsweise einen Beutel Reis, Obst und Gemüse, eine Flasche Rum. Nahrungsmittel, die für 5 oder 6 Tage reichen. Der Rest ist Improvisation. Kuba ist aber auch ein sehr reiches Land. Die Schulbildung ist hoch, auch die medizinische Versorgung ist außergewöhnlich gut.

 

 

 

Was viele nicht wissen: Anders als seinerzeit in der DDR dürfen Kubaner reisen, vorausgesetzt, sie können es sich leisten. Viele Kubaner haben das Land verlassen, leben heute in den USA. Andere versuchen ihr Glück, indem sie nebenbei ein kleines Geschäft betreiben oder Touristen in mühevoll instand gehaltenen Cadillacs durchs Land kutschieren.

 

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Bildschirmfoto 2016-03-20 um 22.02.34Trotz der Umstände hat sich Harold dazu entschlossen, in Havanna zu bleiben. Er will, wie er sagt, sein Land von innen heraus reformieren. Sein wichtigstes Hilfsmittel: Sein Blog, das ihm als Vehikel dient, um mit der Regierung eine Art inoffiziellen Dialog zu führen.

 

Harold, wann hast Du mit dem Bloggen angefangen?

Das war vor 5 oder 6 Jahren. Ein paar Freunde und ich haben uns zusammengetan und ein Blog eröffnet. Zu bloggen war nie unser Ziel. Wir wollten teilhaben. Teilhaben daran, unsere Zukunft hier auf Kuba zu gestalten. Das tun nur wenige hier. Wir suchten nach einem Weg, ein Werkzeug, das uns ermöglicht, unser Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.

Das Bloggen also nur Mittel zum Zweck?

Mit dem Bloggen habe ich aus Frust angefangen. Ich hatte versucht, auf anderen Seiten zu kommentieren. Aber die haben meine Beiträge nie freigeschaltet. Also habe ich mich mit Freunden zusammengetan und beschlossen, wir machen unseren eigenen Blog. Uns war es egal, ob das jemand liest oder nicht. Zu unserer Überraschung haben viele Leute uns gelesen. Das hat uns natürlich gefreut.

 

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Hast Du schon mal Ärger mit der Regierung wegen Deines Blogs bekommen?

Man hat uns nie unter Druck gesetzt, nein. Wir wussten sehr wohl, dass es Leute gibt, denen das nicht gefällt, was wir schreiben. Umgekehrt gab auch immer Leute in der Regierung, die uns wohlgesonnen sind. Je nachdem, welcher Richtung sie angehören. Was mich stolz macht ist die Tatsache, dass uns sehr gebildete und zukunftsorientierte Köpfe hier auf Kuba unterstützen. An die anderen versuche ich gar nicht zu denken.

In Deinem Blog bezeichnest Du Deine Generation als „Die Vergessenen“. Wieso? 

Ich habe viele Freunde, die kommen viel rum in der Welt. Die wissen, wie es außerhalb unserer Insel so zugeht. Menschen, die sich – wie ich selbst – bewusst dafür entschieden haben, hier zu bleiben. Ich nenne uns die „Vergessenen“. Jeder spricht über die Exil-Kubaner oder diejenigen, die nicht die Möglichkeit haben, das Land zu verlassen. Aber kaum jemand spricht über diejenigen, die bewusst hier bleiben, um das Land voranzubringen.

 

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Seit letztem Jahr wimmelt es hier nur so von amerikansischen Touristen. Was haltet Ihr von den Amis?

Die sollen ruhig kommen. Das meine ich nicht nur wegen der Dollars. Es gibt so viele Mythen über unser Land. Die Amerikaner sollen sich hier umsehen, auch tiefer eintauchen, jenseits der touristischen Sehenswürdigkeiten. Der beste Weg, uns zu verstehen, ist es, herzukommen uns sich ein eigenes Bild von Kuba zu machen.

Trotz aller diplomatischen Bemühungen – das US-Embargo bleibt bestehen. Was hältst Du davon?

Ich glaube nicht, dass John F. Kennedy seine Unterschrift unter das Embargo-Gesetz gesetzt hätte, wenn er gewusst hätte, dass Menschen wie ich, 50 Jahre später, unter diesem Embargo zu leiden hätten. Meine Generation zahlt noch immer den Preis für Entscheidungen, die Jahrzehnte zurückliegen und für die wir nichts können.

 

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Was denkst Du darüber, dass der US-Präsident jetzt zu Euch kommt?

Wir müssen die Obama-Regierung bei ihrer Mission unterstützen, das Verhältnis zwischen den USA und Kuba zu verbessern. Ich weiß nicht, ob es da jemals Normalität geben kann. Ich meine, was ist schon normal? Woran ich glaube ist, dass unsere Länder respektvoller miteinander umgehen sollten. Dass Washington die Menschen hier nicht vergisst und dass auch wir hier in Kuba die Werte anerkennen sollten, für die Amerika steht. Diese beiden Seiten zusammenzubringen, das ist die Aufgabe, vor der unsere Generation steht. Wenn ich meinen Kindern mal erzählen kann, dass wir es waren, die das geschafft haben, dann wäre ich sehr stolz.

 

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1 Kommentare
  1. palina schreibt:

    „Wir müssen die Obama-Regierung bei ihrer Mission unterstützen, das Verhältnis zwischen den USA und Kuba zu verbessern. Ich weiß nicht, ob es da jemals Normalität geben kann. Ich meine, was ist schon normal? Woran ich glaube ist, dass unsere Länder respektvoller miteinander umgehen sollten. Dass Washington die Menschen hier nicht vergisst und dass auch wir hier in Kuba die Werte anerkennen sollten, für die Amerika steht. Diese beiden Seiten zusammenzubringen, das ist die Aufgabe, vor der unsere Generation steht. Wenn ich meinen Kindern mal erzählen kann, dass wir es waren, die das geschafft haben, dann wäre ich sehr stolz.“

    Wie naiv kann man sein? Werte von Amerika. Dieser junge Mann sollte sich mal informieren, was das für Werte sind. Washington vergisst niemand auf der Welt. Aber nur zu ihrem Vorteil und wenn es sein muss mit tausenden oder Millionen Toten das durchzusetzen, was deren Werte sind.
    Ist der schon bei der Atlantik-Brücke oder steht er noch auf der Warteliste?
    Leider gibt es den Votrag von Daniele Ganser nicht in Spanisch. Ich füge den trotzdem hier ein. Vielleicht kann ihm das jemand übersetzen.
    https://www.youtube.com/watch?v=NxdzxGUDFd0

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