Tafelkreide, Weltatlas, Lexikon – unser Bildungssystem scheint im Kaiserreich steckengeblieben zu sein. Dabei sind Programmieren und vernetztes Arbeiten in einer digitalen Welt wichtiger als stures Auswendiglernen.

 

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Die Feuerzangenbowle – UFA, 1944

 

 

Wat is en Dampfmaschin‘? Da stelle mer uns janz dumm und da sage mer: En Dampfmaschin, dat is eene jroße schwarze Raum, der hat hinten un vorn e Loch.“ Unvergessen: Physiklehrer Bömmel aus der „Feuerzangenbowle“. Der Rühmann-Klassiker kam 1944 in die Kinos. Die Geschichte selbst spielt noch vor dem Ersten Weltkrieg.

Letzte Woche zog die Tochter eines Bekannten ihr Schulheft hervor. Heimat und Sachkunde, vierte Klasse Grundschule. Das Heft katapultierte mich in eine längst vergessene Epoche. Nicht nur, dass dieses Schulheft jenen ähnelte, die ich selbst jahrelang mit mir herumtrug. Von der Musterung, dem gelben Löschblatt, dem Geruch der sorgsam mit Uhu eingeklebten, auf Umweltschutz-Papier fotokopierten Arbeitsblätter: bis ins letzte Detail identisch!

Was mich so verblüfft: Meine Grundschulzeit liegt mehr als 30 Jahre zurück. Die Welt aber, in der wir heute leben, ist eine völlig andere: Computer, Digitalkameras, Mobiltelefone, das Internet – all das scheint an unserem Bildungssystem komplett vorbeigegangen zu sein. Weder der Schulstoff noch die Hardware haben sich angepasst: Brockhaus, Schulatlas, Kreidetafeln.

Nun mag man sagen, es ist gut, dass Kinder die Grundlagen, also Lesen, Schreiben, Rechnen, noch beigebracht bekommen. Wie aber sollen Jugendliche den Wahrheitsgehalt eines Wikipedia-Eintrags beurteilen, wenn sie in der Schule noch mit dem Lexikon arbeiten? Wie sollen sie sich in einer zunehmend von Algorithmen gesteuerten Welt zurechtfinden, wenn nicht einmal die Lehrer verstehen, wie eine Suchmaschine funktioniert?

 

 

Unsere Klassenzimmer heute erinnern mehr an die Schulzeit von Hans Pfeiffer aus dem Kaiserreich als an das 21. Jahrhundert. Wäre es nicht höchste Eisenbahn, unsere Kinder professionell an die digitale Lebenswelt heranzuführen?

Wo sind die Tablets, die Apps, die audio-visuellen Lehrmittel, die spielerisch Wissen vermitteln? Warum basiert unser Schulsystem auf stoischem Auswendiglernen statt auf Problemlösung und vernetztem Arbeiten? Wie kann es sein, dass an dem Ort, von dem viele sagen, er sei das Fundament für alles, die Zeit stehengeblieben ist?

Wat is en Suchmaschin‘? Da stelle mer uns wieder janz dumm und da sage mer so: en Suchmaschin‘, dat is eene jroße schwarze Raum, dat hat en Suchfenster und janz viele Daten. – Was das mit Schule, der Zukunft und Arbeitsplätzen zu tun hat? Ich fürchte: dat krieje mer später.

 

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16 Kommentare
  1. Erik schreibt:

    Erster Tipp an die Schüler und Lehrer:
    nicht Google benutzen, sondern http://www.startpage.com oder http://www.duckduckgo.com (Weitere Alternativen möglich)
    Zweiter Tipp: Browser so einstellen, dass nach dem Schliessen immer alle Cookies gelöscht werden, damit die Suchmaschine beim nächsten Start nicht weiß, ob ich immer noch der Selbe wie beim letzten mal.
    Dritter Tipp: mit Bedauern in die Einstellungen der Suchmaschine schauen und feststellen, dass bereits in der Standardeinstellung alle Suchergebnisse zensiert (gefiltert) werden. Will man das abstellen, ist das nur temporär möglich, oder alternativ dauerhaft mit dem Nachteil, dass die Suchmaschine bei jedem Besuch die Suchanfragen individuell meiner Person zuordnen kann.

  2. Andreas Voetz schreibt:

    Sage mer ma so: Das Geld für die Bildung ist knapp bemessen. Die Schülerzahlen steigen, das Budget aber nicht. Lieber packt man ein vielfaches in einen Verteidigungsetat und verschwendet es dort für Drohnen (die nie fliegen), Gewehre (die unabsichtlich um die Ecke schießen) und vieles mehr.

    Die Bundesregierung vergisst leider, dass das Volk an der Basis entsteht. Die Kinder sind die zukünftigen Wähler… vielleicht man sie daher künstlich dumm halten. Das Ergebnis sind dann zweistellige Wahlergebnisse für populistische Parteien, weil ungebildete Menschen empfänglicher für Propaganda sind und nie gelernt haben, diese zu hinterfragen. Heutzutage ist es schon ein technischer Meilenstein, wenn der Lehrer „Folien“ mit dem Beamer an die Wand schmeißt, statt den Overheadprojektor von Anno 1970 aus dem Materialraum zu holen. Leider wird sich an dem ganzen auch nichts ändern, bis Unternehmen aus der freien Wirtschaft einspringen (Siehe Apples Schulprojekt).

Willkommen!