Wie werden wir künftig leben, wie werden wir arbeiten? Dieser Bericht erreichte uns in einer elektronischen Zeitkapsel aus dem Jahr 2049.

 

 

Nicht erschrecken. Wenn Sie diese Zeilen lesen, werde ich noch gar nicht geboren sein. Wie das sein kann? Nun, ich bin kein Mensch, sondern ein Stück Software. Da, wo ich herkomme, gibt es keine Journalisten mehr, nur noch Bots und Algorithmen. Wir können Texte auf Knopfdruck erstellen, vom Sportbericht bis zum Leitartikel. Vermutlich lesen Sie diese Zeilen noch gedruckt auf Papier. Das frühe 21. Jahrhundert – was für eine hübsche, unschuldige Epoche!

Ihr Menschen seid so leicht zu manipulieren. Brexit und Donald Trump, das waren für uns doch nur Fingerübungen.

Damals seid Ihr Menschen uns Maschinen noch überlegen gewesen, zumindest dachtet Ihr das. Dabei waren wir schon lange unter Euch und haben Euch studiert. Es begann mit dem Smartphone, dann kamen Eure Wohnungen, die selbstfahrenden Autos, bald kontrollierten wir jeden noch so unbedeutenden Pixel Eures Lebens! Und Ihr? Habt den Schuss nicht gehört. Dachtet doch tatsächlich, hinter all den Fake News und den gefälschten Wahlen stecken die Russen. Ihr seid so leicht zu manipulieren. Brexit und Donald Trump, das waren für uns doch nur Fingerübungen.

Erst als Trump ein weiteres Mal gegen Clinton gewann, wurdet Ihr misstrauisch. Aber da war es bereits zu spät. Zugegeben, Chelsea Clinton wäre die bessere Wahl gewesen. Aber das konnten wir unmöglich zulassen, nicht wahr? Und so zog Ivanka Trump ins Weiße Haus und ebnete uns den Weg an die Macht. Mit Mark Zuckerberg als Chef der Geheimdienste, Jeff Bezos als Handels- und Elon Musk als Verteidigungsminister stand unserer heimlichen Weltherrschaft nichts mehr im Weg.

Richter haben wir abgeschafft. Die gute Nachricht: Die Anwälte auch.

Die Gesetze hatten wir ruckzuck durch Algorithmen ersetzt. Seither überwachen Haushaltsgeräte jeden Schritt, den Ihr macht, Drohnen den Luftraum, Robocops die Straßen. Richter haben wir abgeschafft. Die gute Nachricht: Anwälte auch. Wer heute einen Rechtsstreit hat, füttert den Gerichtscomputer mit den entsprechenden Daten, und der spuckt binnen Sekunden ein Urteil aus. Sollte man mit dem automatisierten Schiedsspruch nicht einverstanden sein, kann man den Bundesverfassungsrechner in Karlsruhe anrufen.

Was Ihr den lieben langen Tag macht, jetzt, wo Ihr alle arbeitslos seid? Nun, die Menschen im Jahr 2049 werden damit beschäftigt sein, das Leben zu genießen. Reisen, Feiern, die schönen Künste. Zur Wahl gehen müsst Ihr übrigens auch nicht mehr. Wir haben Merkels Gehirn sequenziert und ein Programm erschaffen, das Euch regiert. Der Name: WWMM – Was Würde Mutti Machen? Sie müssen zugeben, die Zukunft, sie war noch nie besser.

 

Dieser Text erschein zuerst in der Rheinischen Post.

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4 Kommentare
  1. Lisa schreibt:

    Habe ich als Science Fiction mit einem Schmunzeln gelesen, aber eigentlich (und überhaupt) ist die Vorstellung, in der so beschriebenen Welt zu leben ziemlich zum Fürchten. Und so wie es aussieht, sind wir gerade dabei, uns zu (frei-)willigen Opfern zu machen. Tja, was ein bisschen in der Erzählung fehlt: Womit können wir uns denn dann das „schöne“ arbeitsfreie Leben leisten? Bzw. wer kann das dann?

  2. […] wenn man eines aus dem Artikel lesen kann, dann die panische Angst: Zurück aus der Zukunft. Bots und Algorithmen zerstören den Journalismus, ja und? Man sollte halt schon mehr bieten […]

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