Journalisten und Medien-Strategen aus der ganzen Welt pilgern seit Jahren in Scharen nach White City im Westen von London. Ihr Ziel: Sie wollen einen kurzen Blick in die multimediale Zukunft werfen. Hier befindet sich das Television Centre der BBC – das britische Pendant zu ARD und ZDF.

 

 

 

 

 

 

 

bannerbbc Geht es um Konvergenz, spalten sich die Medien-Macher in zwei Gruppen: die Enthusiasten und die Skeptiker. Die Einen arbeiten ohnehin schon für mehrere Medien parallel, haben eine hohe Affinität zu technischen Neuerungen und zum Internet. Die Anderen halten Crossmedia für überbewertet und konzentrieren sich lieber auf ihre alten Tugenden, sprich: die klassischen Hörfunk bzw. Fernsehinhalte.

Die BBC hat vor Jahren einen gewaltigen Restrukturierungsprozess begonnen. 24.000 Mitarbeiter wurden von der Unternehmensführung auf die veränderte Medienwelt eingeschworen. Radio und TV-Programme wurden überarbeitet, Arbeitsprozesse angepasst. Das Ziel: die öffentlich-rechtlichen Angebote fit zu machen für die Zukunft.

bbc181Die Skepsis innerhalb, aber auch außerhalb des Senders war gewaltig. Ausgerechnet die gute alte Tante BBC als innovativer. Vorreiter? – Das kann ja nur schiefgehen! Doch dann geschah etwas Unerwartetes: Die Operation hatte Erfolg. Marktanteile wurden zurück gewonnen, neue Vertriebswege und Zuschauerkreise erschlossen. Online-Angebote, wie der BBC-iPlayer (Vorbild der hoch gelobten ZDF-Mediathek) setzen bis heute Maßstäbe. Der trimediale Newsroom in London gilt in der Branche als das Mekka der multimedialen Nachrichtenwelt.

Da liegt er nun also vor uns, der sagenumwobene Newsroom. Wir sehen ein Großraumbüro, das sich über mehrere Stockwerke erstreckt. Online, Hörfunk und Fernsehen vereint in einem Raum, so groß wie ein Konzertsaal. Hunderte von Menschen, teils mit Kopfhörern auf den Ohren, bevölkern Dutzende von Arbeits-Inseln.

Im Zentrum: der Multimedia-Editor. Er. passt auf, dass wichtige Informationen an alle Bereiche weitergegeben werden und entscheidet darüber, wer – wann – was auf welchen Kanälen veröffentlicht. Bei den Arbeitsplätzen handelt es sich um Funktions-Desks, d.h. sie wechseln ständig ihre Besitzer, je nachdem, welcher Redakteur für welchen Dienst gerade eingeteilt ist. Tim Weber, ehemaliger Mitarbeiter des. Bayerischen Rundfunks und heute Ressortchef für die BBC-Wirtschaft, erklärt: die Dienste und Aufgaben der Journalisten rotieren. „Mal arbeitet man für Online, am nächsten Tag für den Hörfunk“.

bbc91Die Strategie der Briten ist simpel: die Inhalte dahin bringen, wo die Menschen sind. Nicht mehr, nicht weniger. Wenn die Konsumenten in Zukunft weniger Zeitung lesen, weniger (linear) Radio hören oder fernsehen, dann müssen die Berichte, Reportagen und Interviews eben künftig für mehrere Plattformen konfektioniert werden. Das heißt: Mini-Formate für unterwegs oder den Arbeitsplatz, Hochglanz-Produktionen für den HD-Flatscreen zuhause im Wohnzimmer. Der BBC-iPlayer kann sogar über Spielkonsolen empfangen und damit auf den Wohnzimmer-Fernseher übertragen werden.

„User Generated Content reisst einen aus dem Elfenbeinturm raus“

„Wir müssen unsere Reichweite halten, sonst verlieren wir unsere Legitimität“, sagt Tim Weber. „Wenn die Leute in Zukunft mehr Zeit mit Smartphones oder mit Festplattenrecordern als mit Radio oder Fernsehen verbringen, dann sollten wir zusehen, dass wir da drauf kommen. Wenn wir nicht genügend Leute erreichen, sind unsere Gebührengelder nicht länger haltbar.“

Konvergenz, Crossmedia, Public Value –alles schöne Begriffe. Hier sieht man, was sie in der Praxis bedeuten. Die Eindrücke, die wir in den beiden Tagen gewonnen haben, werden wir mit nach Hause nehmen. Eine Botschaft gibt uns der BBC-Mann noch mit auf den Weg zurück in unsere HeimatRedaktionen: wir sollten endlich aufhören darüber zu streiten, ob die neue Medienwelt mehr Vor- oder Nachteile mit sich bringt: „It’s not good. It’s not bad. –It is.“

Die British Broadcasting Corporation wurde 1922 gegründet und beschäftigt heute rund 24.000 Mitarbeiter. Sie ist in rund 200 Ländern zu empfangen und sendet Programme in über 30 Sprachen. Im Jahr 2004 hat die BBC ihre Digitalstrategie „Creative Future“ vorgestellt. Das Publikum soll die Möglichkeit haben, Zugriff auf sämtliche Inhalte der BBC zu erhalten, und zwar zeit und ortsunabhängig.

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5 Kommentare
  1. Gefällt. Kompliment auch für die beiden gut gemachten Videos.

    Eine positive Anregung mehr, mal wieder über dieses vermaledeite und Zeit fressende Medium Video nach zu denken :)

  2. Richard Gutjahr schreibt:

    Vielen Dank. By the way, weil ich immer wieder danach gefragt werde: für Web-Videos verwende ich alles, was ich gerade griffbereit habe: Sony Z1 (für TV-Berichte), Sony TG3 (Consumer), Flip Mino HD (das Interview mit Tim Weber) für Web-Clips – wenn es sein muss auch die iPhone-Kamera. Hierbei sprichwörtlich das größte „Handy“cap: der Ton.

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