Der App-Store von Apple ist eine Erfolgsgeschichte: gerade erst wurde die 100.000 App-Mauer durchbrochen. 2 Milliarden Downloads in 77 Ländern. Doch spätestens seit gestern muss sich Apple die Frage gefallen lassen: rechtfertigt ein solcher Erfolg auch die Verbreitung von Hitler’s Mein Kampf, frei erhältlich für 1,59 € ?

(UPDATE unten – neue Screenshots)

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Als ich gestern auf den Tweet-Link von S. Kraft klickte, traute ich meinen Augen nicht: ein Hakenkreuz im App-Store, schick gestylt, im bekannten Apple-Spiegel-Look. Was geht denn hier ab? Schnell scannte ich das Angebot, glaubte noch an ein verunglücktes Logo zu einem Aufklärungs-Buch über das Nazi-Regime. Aber nein: aus der englischsprachigen Beschreibung geht klar hervor: hier handelt es sich tatsächlich um das (in Deutschland nur unter gew. Auflagen erlaubte) Original-Werk von Adolf Hitler in spanischer Übersetzung.

Folgendes muss ich vorausschicken: ich bin kein Fan von Zensur jedweder Art. Ich halte die meisten Menschen für intelligent genug, selbst zu entscheiden, was sie sehen, hören oder lesen wollen. Es gibt jedoch Ausnahmen: Ist es wirklich notwendig, Hakenkreuz-Literatur auf einer Plattform anzubieten, die für ihre teilweise absurde und grotesk anmutende Durchleuchtungs-Prozedur bekannt ist? Da werden Spiele oder Anwendungen entfernt oder gar nicht erst zugelassen, nur weil die Sprechblasen zu sehr glänzen oder weil sie Apple’s ethischen Grundsätzen nicht entsprechen. Und dann das Machwerk eines Massenmörders, der Millionen von Menschen in Gaskammern gesteckt hat. Wie geht das zusammen?

kampf2Spätestens jetzt wird jemand mit der historischen Bedeutung argumentieren: „Sollte man nicht gerade den Original-Text zur Verfügung stellen, damit die Menschen erkennen, wie banal und menschenverachtend dieser Text ist?“ Ja. Sollte man. Schon Bundespräsident Heuss hatte in den 50er Jahren angeregt, Mein Kampf kommentiert zu veröffentlichen, um uns Deutschen und der Welt diesen Wahnsinn vor Augen zu halten.

Ich frage mich: ist ein iPhone / iPod touch (Apple: „The funniest iPod ever“) der richtige Ort für einen solchen Bildungsauftrag?

Ich war neugierig. Was sagt Apple selbst zu dieser Sache? Ich rief bei Georg Albrecht an, dem Apple-Sprecher Deutschland. Trotz der vorgerückten Stunde (kurz nach 21 Uhr an einem Freitag Abend) zeigte er sich dankbar für den Hinweis und erklärte, man kenne das App und habe den Vorfall schon am Donnerstag (!) der Firmenzentrale in Cupertino gemeldet. Der Apple-Sprecher versicherte mir, dass das App entfernt würde.

kampf5Um so mehr erstaunt es mich, dass das Hakenkreuz auch heute (Samstag) noch immer per iTunes und App-Store erhältlich ist. Dass es ein paar Tage bzw. Wochen dauern kann, bis ein App den undurchsichtigen Apple-Prüfungsprozess durchlaufen hat, will mir ja noch eingehen (wie den Apple-Mitarbeitern dabei „Mein Kampf“ mit diesem schillernden Swastika-Emblem durch die Lappen gehen konnte, bleibt ein Rätsel). . Dass es aber Tage dauert, bis ein solches App entfernt wird, ist mir beim besten Willen unbegreiflich.

Was meint Ihr dazu: Abhaken?

NACHTRAG. Sonntag Nacht, 1:31 Uhr:

@mediakontor hat gerade. per Twitter gemeldet: das Hitler-App ist immer noch online, kostet aber plötzlich statt 1,59 € jetzt 10,99 € !

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NACHTRAG – Sonntag Morgen, 10:20 Uhr:

Das App ist nun weg. Danke für die Info @morphem und @SonoPlus. Bitterer Nachgeschmack: Laut Hinweis von Michael Friedrichs gehörte „Mein Kampf“ zeitweise zu den meistgekauften Büchern im App-Store.

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Hierbei bezweifle ich ein rein historisches Interesse. Das ist sicher nicht die Schuld von Apple. Jedoch hat Apple sicher auch ein paar Dollar verdient: laut eig. Angaben zum App-Store genau 30 Prozent pro Download. Weiß nicht wie’s Euch geht – aber ich hätte ein paar Ideen, wohin ich dieses Geld spenden würde.

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9 Kommentare
  1. Olaf Teuerle schreibt:

    Ich kann mich dem Gesagten nur anschliessen! Als langjähriger Apple-Fan bin ich schon bestürzt, wie leichtfertig ein so kreatives Unternehmen seine Reputation in Deutschland aufs Spiel setzt. Da die Zensur bei anderen Apps auch funktioniert, kann das hier nur eine Mischung aus Dummheit und Unsensibilität sein. Schade Apple! Kommerz vs. Innovation – ich bin enttäuscht!

  2. Richard Gutjahr schreibt:

    Hallo Olaf, danke für Deine Antwort – nicht nur, weil es Dir offenbar ähnlich geht wie mir. Der bloße Anblick dieses Apps sorgt bei mir schon für Unbehagen – doch bitte nicht auf meinem schönen iPhone! …bin gespannt, ob es Leute gibt, die das anders sehen.

Willkommen!