Wenn es um Datenschutz geht, empören sich Politik und Medien gerne über Google und Facebook. Doch wie steht es eigentlich um den Datenschutz in Deutschland? Bis heute erhalte ich regelmäßig unerwünschte Post oder Anrufe seriöser deutscher Firmen. Versuche, meine Daten löschen zu lassen, scheiterten in der Regel kläglich. Jahrelang habe ich gebettelt, gedroht, Faxe, ja sogar Briefe (!) geschrieben. Umsonst. Seit Anfang des Jahres verfolge ich eine neue Strategie: null Toleranz.

Meine Daten sind kein Geheimnis. In vielen Fällen gebe ich sie freiwillig weiter und das sogar gerne, etwa, wenn ich mir eine Pizza bestelle oder wenn ich einen neuen Handyvertrag abschließe. Doch welches Recht haben Firmen, auch Jahre nach einem Einkauf oder nach Vertragsende, Menschen mit Ihrem Werbemüll zu belästigen? Das Recht auf Informationelle Selbstbestimmung (laut Bundesverfassungsgericht ein Datenschutz-Grundrecht) – in der Praxis nicht existent.

„Das Problem wird immer größer“, sagt Tatjana Halm von der Verbraucherzentrale Bayern. Sowohl der legale als auch der illegale Datenhandel nehme immer größere Ausmaße an. „Wir bekommen mehr Beschwerden als je zuvor“.

Otto Versand: „Passen Sie auf, Herr Gutjahr!“

Das jüngste Erlebnis dieser Art hatte ich gestern mit dem Otto-Versand, der auf seinen Internet-Seiten stolz darauf verweist, wie wichtig man dort den Datenschutz nimmt. Wie das dann in der Praxis abläuft, wenn man schriftlich darum bittet, mit all seinen Daten aus dem System gelöscht zu werden, hört Ihr am besten selbst:

Wie bereits erwähnt: Null Toleranz.

Übrigens:. Wusstet Ihr, dass die OTTO Group offenbar ein Joint Venture mit dem berühmt-berüchtigten Adresshändler Schober betreibt? (Danke für den Hinweis @Kenner)

BMW: Aus Freude am Schreiben

„Seien Sie versichert, dass die BMW Niederlassung München die Themen Datenschutz und Adressweitergabe sehr ernst nimmt.“ (BMW)

Beispiel BMW. Im Frühjahr 2008 habe ich mich für ein Auto interessiert. Dazu habe ich mehrere Auto-Webseiten besucht, u.a. auch die von BMW. Mein Fehler: Bei einer Prospekt-Anforderung habe ich mich als potentieller Neuwagenkäufer zu erkennen gegeben. Seitdem erhalte ich unregelmäßig Anrufe von BMW-Händlern oder Einladungen zu BMW-Fahrertrainings.

Ihr werdet sagen: Wo ist das Problem, einfach die Firma darum bitten, die Daten löschen bzw. sperren zu lassen. Im Fall von BMW habe ich fünfmal telefonisch, zweimal per E-Mail und dreimal per Fax bzw. Briefpost darum gebeten, meine Daten ein-für-alle-mal löschen zu lassen. Trotz Beteuerungsschreiben u.a. vom Marketingleiter klingelte auch in diesem Jahr wieder mein Telefon.

Deutsche Telekom

„der sensible Umgang mit Kundendaten genießt in unserem Unternehmen den höchsten Schutz“ (Deutsche Telekom)

Über Jahre hinweg melden sich versch. Callcenter „im Auftrag der Deutschen Telekom“ bei mir zuhause und versuchen, mir einen neuen Telefon-Tarif zu verkaufen. Angeblich hätte ich der Telekom die Erlaubnis dazu erteilt. Bis heute ist mir das Unternehmen einen Beleg für diese Behauptung schuldig.

Süddeutsche Zeitung: Das Kreuz mit dem Kreuz

„Wir hoffen, dass Sie die Süddeutsche Zeitung weiterhin mit Freude lesen.“ (SZ-Aboservice)

Bei meiner Bestellung eines Probe-Abos der Süddeutschen Zeitung im Jahr 2005 (!) hatte ich ein Kreuzchen übersehen bzw. zu viel gesetzt. Der dazugehörige, in 5-Punkt-Schrift gehaltene Text („Damit ich in Zukunft keine Angebote der Süddeutsche Zeitung GmbH oder der Unternehmen der Süddeutschen Verlag GmbH verpasse…“) ist mit seiner einleitenden Verneinung „keine Angebote“ bewusst darauf ausgelegt, missverstanden zu werden. Das war im August 2005. Auf dieses eine Kreuzchen hin, nimmt sich die Süddeutsche Zeitung Verlag GmbH das Recht heraus, jahrelang mich mit Telefonanrufen oder Post-Reklame zu beglücken. Abo habe ich natürlich keines mehr.

Verkaufsgespräche mit Minderjährigen? O2 can do.

„Ich bedauere sehr, dass bei Ihnen der Eindruck entstanden ist, wir wollten unsere Produkte an Minderjährige verkaufen. Dies verbieten uns schon unsere Leitlinien Marketing Jugendschutz, die wir uns selbst auferlegt haben.“ (O2)

Am 16. März 2009 klingelte das Handy meiner Nichte. Ein Call-Center-Mitarbeiter der Firma O2 versuchte offenbar, dem damals 14jährigen Mädchen einen neuen Handytarif aufzuschwatzen. Obwohl meine Nichte darauf hinwies, dass sie noch minderjährig und sie zwar Nutzerin, nicht aber Vertragspartnerin sei, wurde der Tarif umgestellt. In einem späteren Schreiben bat das „O2 Team“ lediglich darum, die „entstandenen Unannehmlichkeiten“ zu entschuldigen.

(siehe dazu auch meinen Blogpost vom 3. Juni 2011. O2-Kundendaten frei im Internet)

Fazit

Ich gehe nicht davon aus, dass amerikanische Großkonzerne verantwortungsbewusster mit Daten umgehen, als BMW, Deutsche Telekom, Otto & Co – jedoch ist es schon bemerkenswert, dass ich die meisten unerwünschten Werbeangebote und Anrufe von deutschen Unternehmen erhalte – und das, obwohl ich immer wieder explizit um die Löschung meiner Daten gebeten habe.

Tatjana Halm von der Verbraucherzentrale Bayern rät zu folgenden Schritten:

  1. Schriftlichen Widerspruch einreichen (Musterbriefe gibt es bei den Verbraucherzentralen)
  2. Brief an den Landesdatenschutzbeauftragten
  3. Brief an Wettbewerbszentrale

Daneben rät die Verbraucherschützerin, bewusster mit seinen eigenen Daten umzugehen. „Nicht immer alle Felder in einem Formular ausfüllen, die mit dem eigentlichen Kaufvorgang gar nichts zu tun haben“ (gerade das Geburtsdatum wird von Adress-Händlern gerne dazu benutzt, Kundendaten aus verschiedenen Beständen zusammenzuführen).

Wer sind eigentlich die schwarzen Schafe: Facebook, Google & Co – oder nicht doch die deutschen Unternehmen?

Mehr dazu:. Die Verschwiegene Branche der Adresshändler (WiWo.de)

Welche Erfahrungen habt Ihr gemacht? .

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77 Kommentare
  1. Hendrik schreibt:

    Bei mir ist mir das auch bei der Süddeutschen Zeitung aufgefallen, hatte da längere Zeit ein Abo, aber jetzt kommen unregelmäßig noch Anrufe, ob ich nicht wieder Kunde werden will.

    Ansonsten wie erwähnt, die Telekom ist auch sehr penetrant.

    Sky ebenfalls, habe da noch ein altes Premiereabo, die rufen auch ständig an und wollen dass ich auf die neue Struktur umstelle (die natürlich teurer ist, da mir Bundesliga für 20 Euro reicht).

    Ansonsten: Ich bin erst vor 2 Jahren von meinen Eltern ausgezogen, neue Wohnung, neue Telefonnummer. Inzwischen bin ich etwas schlauer und gebe meine Daten nur ungern weiter.

    Meine Freundin hingegen ist z.B. Lehrerin, und hat zu Beginn ihres Anwärterdienstes haufenweise Schulbuchverlage angeschrieben, wegen Starterpaketen usw.
    Die verkaufen anscheinend auch gut weiter, da wir permanent Post im Briefkasten haben.

    Mein Tipp: Zahlendreher bei der Telefonnummer einbauen.

  2. Florian schreibt:

    Oh ja, wie Recht Sie mal wieder haben.
    Noch vor ein paar Jahren war ich sehr erpicht darauf, immer mal neue Fahrzeuge probezufahren. Einmal in dieses Formular eingetragen, bekommt man gleich massenweise E-Mails und auch postalische Benachrichtigung. Eine Austragung aus diesen Verzeichnissen habe ich gar nicht erst beantragt. Da hat es bisher nur geholfen, öfter mal umzuziehen (und das musste ich studienbedingt schon das eine oder andere Mal).

    Was mich aber noch mehr verdutzt hat, war die Tatsache, dass ich erst ca. 4 Wochen an einem neuen Wohnort gelebt habe, diesen weder (wissentlich) bei einem Einkauf noch beim Einwohnermeldeamt durchgegeben habe und trotzdem Post auf meinen Namen ankam. Auch sonst habe ich diese Adresse nicht weitergegeben. Das kam mir schon sehr dubios vor und hab ich mich echt verfolgt und gestalkt gefühlt.

    Jedenfalls weiß ich, dass ich in Zukunft nur noch sehr spärlich informationen anfordern werde, da man einfach so zugemüllt wird, dass das schon keinen Spaß mehr macht. Jeden Tag mehr Post für den Müll zu bekommen als Nutzinformationen zu haben, stimmt mich schon ein wenig nachdenklich.

Willkommen!