Die Debatte um die Zukunft der Zeitung will nicht so recht zünden. Vielleicht liegt es daran, dass wir der eigentlichen Frage aus dem Weg gehen – der Frage nach den Inhalten.

big-beachhouse

Heute schreibe ich aus Tel Aviv, der Weissen Stadt. Eigentlich habe ich ja Urlaub, aber was will man machen. Als Journalist kann man niemals völlig abschalten und irgendwas ist ja immer. Ich sitze also hier in meinem Stammcafé mit Blick auf das Mittelmeer, habe alle meine deutschen Lieblingszeitungen durch; elektronisch – versteht sich (Versuch mal, in der Fremde eine aktuelle deutsche Tageszeitung zu bekommen).

Da stoße ich im Inneren des SPIEGEL versteckt auf eine Debatte über die Zukunft der Zeitung, die man, wie Thomas Knüwer anmerkt, durchaus auch auf den Titel hätte heben können (Konjunktiv), wäre dieser nicht schon durch eine andere brandaktuelle Story belegt gewesen (über Napoleon). Es geht also um die Frage, ob gedruckte Tageszeitungen gegen die Konkurrenz aus dem Internet noch eine Chance haben. Anlass war der Ausverkauf diverser Print-Titel der Axel-Springer-AG an die Funke-Gruppe.

Der Big-Bezos-Bam!

Als hätte es der SPIEGEL geahnt, verkündet die ehrwürdige Washington Post just in dieser Woche ihren Verkauf an Jeff Bezos, den Gründer des Online-Warenhauses Amazon. Ein Traditionsblatt von Weltruhm in der Hand eines Internet-Entrepreneurs. Bam! Erfahren habe ich von diesem Mega-Deal über Twitter. In der gedruckten Zeitung las man davon erst zwei Tage später, weil die Nachricht nach Redaktionsschluss kam. Ein weiterer Nachteil von Print: Zeitungen können mit der Geschwindigkeit elektronischer Medien einfach nicht mithalten (Ein Grund, weshalb ich glaube, dass die Tageszeitungen gut beraten wären, ihre Wochenendausgaben auszubauen, statt zu versuchen, im täglichen Sprint gegen das Web anzutreten).

Ausgeraschelt!

Der große Journalismus-Papst Wolf Schneider beklagt bei Spiegel Online (Hinweis: ich habe mich ebenfalls mit einem Text an der SpOn-Debatte beteiligt) das Ende des raschelnden Papiers. Auch bei Facebook stoße ich auf Verteidiger der klassischen Tageszeitung. So schreibt mir zum Beispiel Meike, sie liebt das Gefühl, bedrucktes Papier in der Hand zu halten, das Knistern beim Umblättern und die Teeflecken vom Frühstück auf der Zeitung. Das kann ich nachvollziehen. Umgekehrt sollte man aber niemals die Sinnlichkeit kleinreden, die vom Polieren des mit Lotus-Abperleffekt veredelten Gorilla-Glas-Bildschirms eines Retina-iPads ausgeht!

Krise des Journalismus

Die gedruckte Zeitung hat als aktueller Informationsüberbringer ausgedient. Das haben wir alle glaube ich inzwischen kapiert. Was mir bei der ganzen Diskussion zu kurz kommt, ist die Frage nach den Inhalten. Die Branchen-Dinos tun alles, um ihr Vermächtnis zu bewahren, indem sie versuchen, Print qua Definition mit Qualitätsjournalismus gleichzusetzen. Dabei wissen sie nur allzu genau, dass es um die Qualität schon in der analogen Zeit nie so wirklich gut bestellt war: dünne Recherche, Copy-&-Paste-Journalismus, der Herdentrieb beim Agenda Setting durch mutlose Medienmacher – das alles war schon vor dem Internet an der Tagesordnung. Was sich verändert hat: durch die Vergleichsmöglichkeiten im Web wird diese Krise des Journalismus erst so richtig deutlich. Killergurke, anyone?

Schlechter Journalismus wird auf dem iPad nicht besser. Das ist meiner Meinung nach das eigentliche Problem, das wir gemeinsam lösen müssen.

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21 Kommentare
  1. Ich glaube, was immer noch nicht verstanden wird, und was Du in Deinem SPON Beitrag ja schon angerissen hattest: Mensche haben durch das Elektronische einfach mehr Optionen. Das Informieren ist nur noch eine. Journalismus diente in der Vergangenheit ja durchaus auch der Unterhaltung (die Seite „Vermischtes“ in der Lokalzeitung), nicht nur der Information. Nur heute gibt es einfach Unterhaltsameres. Gestern Abend habe ich statt Zeitung lesen eine Kinopremiere via iTunes US geschaut, heute morgen habe ich Donkey Kong auf dem Nintendo 3DS in der Wanne gelesen. Jetzt höre ich Musik via Spotify. Gleich wasche ich Wäsche. Und noch immer kam ich nicht auf die Idee, mir die Sonntagszeitung vom Bäcker zu holen….

    • Richard schreibt:

      Aber was ist mit der Haptik, dem Rascheln, Björn?!

    • Tim schreibt:

      Ich glaube auch, daß Unterhaltung der entscheidende Aspekt ist. Die meisten Zeitungen wurden abonniert, um das familiäre Frühstück zu strukturieren oder andere andere Zeiten zu überbrücken, die journalistische Funktion des Blattes war nicht sonderlich bedeutend.

      Heute gibt es mobile Geräte, die zu jeder Zeit des Tages besser unterhalten – und die unterhaltenden Inhalte kommen natürlich nicht von Verlagen.

    • f.gruen schreibt:

      Donkey Kong gelesen????? Tjaja. Lesen ist auch nicht mehr das, was es mal war. Film, Musik, meinetwegen Computerspiele, alles schön und gut, aber dient das der Bildung? Ich les lieber Zeitung. Die kann im übrigen auch unterhalten. Aber das Primat der Unterhaltung wird uns noch eine absolute Deppenmehrheit bescheren.

  2. Dirk von Gehlen schreibt:

    Ich verstehe deinen Ansatz vollkommen, Richard. Ich halte ihn aber für nicht zielführend.

    Die Debatte um den Inhalt von gutem Journalismus (oder machen wir es größer: von guter Kultur in Gänze) geht an der eigentlichen Veränderung vorbei. Dass Journalismus nicht mehr so gut sei wie früher ist eine Klage, die man schon immer anstimmen konnte. Das ist nicht neu. Neu ist, dass die Digitalisierung seinen Aggregatzustand verändert. Kultur wird zur Software und zukunftsfähige Geschäftsmodelle brauchen Antworten auf diese Veränderung.

    Die Klage über den schlechten Journalismus hilft da gar nicht – und (meine Meinung) sie ist auch falsch: Der Journalismus ist heute viel besser als vor 20 Jahren. Als Konsument finde ich viel leichter zu viel besseren Inhalten, ich kann amerikanische Longreads lesen statt nur drei Programme im TV gucken zu müssen. Für mich als Leser ist das Angebot um Längen besser als früher, was ja angeblich so eine tolle Zeit war.

    Soll heißen: die Debatte um die vermeintlich sinkende Qualität des Journalismus ist eine Nebelkerze, mit der man sich von der wirklichen Herausforderung der Digitalisierung ablenkt.

    http://www.dirkvongehlen.de/index.php/nachrichten/wie-verdient-man-in-digitalen-zeiten-mit-kultur-geld/

    • Richard schreibt:

      Die Frage nach dem Geldverdienen und der Qualität ist eine Henne-Ei-Frage. Ich bin dafür, dass man es jetzt, nach der ewigen Debatte um das Einsparen, Zusammenlegen und dem ROI einfach wieder mit der Qualität probiert – auch auf die Gefahr, dass sich die Erfolge nicht gleich morgen einstellen werden.

      • Dirk von Gehlen schreibt:

        Stimme Dir in der Qualitäts-Bezahlfrage zu! Das ist aber nicht Kern der digitalen Debatte, die ich für noch notwendiger halte. Zumal: der Journalismus ist nucht schlechter als früher!

    • Thomas schreibt:

      Die Techniken und Methodiken der Journalisten und des Journalismus in Gänze haben sich vielleicht verbessert, aber was ist mit der Haltung der Medien und der Journalisten? Welcher Identität haben sie? Je mehr der Journalismus auf Wirkung setzt und den Nutzern/Lesern gefallen will, desto weniger ist mir klar, wofür sie stehen, was sie können und was sie unvergleichlich macht.

Willkommen!