Was für Politiker einst Bild, Bams und Glotze waren, ist heute das Smartphone. Wer auf diesem Schlachtfeld bestehen möchte, muss in Zukunft vor allem eine Sprache beherrschen: Video.

 

 

Zwei Videos, die innerhalb weniger Tage gleich zwei westliche Demokratien ins Wanken gebracht haben. Mit CDU und SPD irrlichtern in Deutschland plötzlich zwei Tanker führungslos durch die See. Derweil hat das Nachbarland Österreich komplett Schiffbruch erlitten, abgeschossen durch ein Video, dessen zerstörerische Kraft so gewaltig war, dass es am Ende sogar egal war, woher der Torpedo kam.

Stellen wir uns vor, das Ibiza-Video wäre kein Video gewesen, sondern nur ein Audio-Mitschnitt. Oder ein verschriftetes Wortprotokoll. Ich gehe jede Wette ein, Kurz und Strache wären heute noch im Amt. Oder die „Zerstörung der CDU“. Nehmen wir mal an, Rezo hätte seinen Rant nicht als Video, sondern in Schriftform ins Netz gestellt. Wort für Wort. Mit allen Fußnoten und Quellenhinweisen. Rezo… wer?

 

 

“It doesn’t matter how good or bad the product is; the fact is that people don’t read anymore“

Steve Jobs, 2008

Die Menschen lesen nicht mehr

„Die Menschen lesen nicht mehr“. Steve Jobs hatte das mal gesagt. Auch wenn der Apple-Guru bekannt dafür war, sich oft seine eigene Wirklichkeit zu schaffen. Heute, elf Jahre später, bin ich überzeugter denn je, er hatte Recht. 

Es heißt, ein Bild sagt mehr als 1000 Worte. So gesehen sagt ein Video mehr als 25.000 Worte (bei 25 Bildern pro Sekunde nach unserem einstigen PAL-Standard). Es geht mir hier um mehr, als um ein hübsches Zahlen-Wortspiel. Denn durch die Omnipräsenz der Bildschirme in unserem Alltag verschiebt sich gerade die Medien-Arithmetik unserer Gesellschaft.

 

Youtube – die Bibliothek von Alexandria unserer Zeit

Während wir Ältere YouTube als eine Videoplattform begreifen, hat das Netzwerk für Kinder und Jugendliche eine völlig andere Bedeutung. Für sie ist YouTube Fernsehen, Tageszeitung, Suchmaschine und Lebenshilfe in einem. Wollen Millenials etwas zu einem Thema wissen, gehen sie nicht zu Google oder ihrem besten Freund, sondern auf YouTube (Mehr dazu auch hier)

Der Branchenverband Bitkom hat jüngst ermittelt, welche Handyfunktion (nach Musik) jungen Menschen am wichtigsten ist. Das Ergebnis dürfte nicht überraschen: Video. Noch vor Social Networks und den Messenger-Diensten.

 

 

Und wie so oft: Was uns unsere Kinder heute vorleben, ist morgen Realität für uns alle. Facebook, WhatsApp, Instagram anyone? 

 

Das Thema Video wird explodieren

Ich fürchte aber, es kommt noch gewaltiger. Meine Prognose: die Bedeutung von Video wird in den kommenden Jahren nicht nur weiter linear wachsen, sondern geradezu explodieren. 

Wie komme ich zu dieser Annahme? 

Über die Allgegenwart der Bildschirme haben wir schon gesprochen. Hinzu kommt ein Faktor, den viele gerne übersehen: der Ton! Ein Satz, der in keinem meiner Video-Workshops und Social-Media-Trainings fehlt, lautet: „Das Wichtigste am Video ist der Ton“. Denn auch hier stehen wir vor einer Zeitenwende.

 

 

Das Wichtigste am Video ist der Ton

Wenn Ihr so durch die Straßen lauft, ist Euch da mal etwas aufgefallen? Immer mehr Menschen, ob jung oder alt, tragen inzwischen Airpods in den Ohren (oder vergleichbare kabellose Bluetooth-Stöpsel). Tatsächlich sind diese Dinger jene Gamechanger, die dem Thema Video-On-The-Go zum Durchbruch verhelfen werden. 

Denn mal ehrlich: Wer hat schon Lust, jedesmal nach seinen Kopfhörern zu kramen oder gar Kabel zu entknoten, nur weil man mal eben ein Video empfohlen bekommen hat? Rezo mit Untertiteln? Und auch sonst: Game of Thrones ohne Musik und Soundeffekte macht einfach keinen Spaß. Wo hingegen Ohrstöpsel, die man ohnehin wie Kontaktlinsen den ganzen Tag trägt, keine Barriere mehr darstellen.

 

Alle Schleusen auf

Der wichtigste Grund jedoch dafür, dass Video die gesamte bisherige Kommunikation beherrschen wird, lässt sich in gerade mal zwei Zeichen ausdrücken: 5G 

Video ist datenintensiv und gilt bislang als Luxus, gerade in einem Dritte-Welt-Funklochland wie Deutschland. Lange Ladezeiten und geringe Netzabdeckung haben unnatürlich lange eine Art Bestandschutz für Text und Audio bedeutet. Doch das wird nicht für immer so bleiben.

Quelle: Opensignal

Wer macht das Rennen?

Wenn nun aber mit 5G eine mobile Übertragungsgeschwindigkeit zur Verfügung steht, die sogar Glasfaser in den Schatten stellt, dann gehen alle Schleusen auf. Dann kämpfen Text, Bild, Audio und Video plötzlich gleichberechtigt nebeneinander um das knappe Gut Aufmerksamkeit. 

Wenn Ladezeiten und Datenvolumen keine Rolle mehr spielen, ich hätte leise eine Ahnung, wer am Ende wohl das Rennen machen wird.

 

 

Fazit

Deshalb mein Tipp an alle, die in den nächsten Jahren mitreden wollen: 

  • Macht Eure Hausaufgaben – und zwar jetzt, bevor 5G da ist
  • Lernt, wie man Videos produziert, die man sehen und teilen will

Und vor allem:

Kommt von Eurem hohen Ross runter und lernt, wie man auf Augenhöhe diskutiert!

Denn obwohl ich den Ansatz des Union-Netzwerks cnetz („Mehr Video!“) grundsätzlich für richtig halte – mit ein paar Schnitten, Quotes, Charts, Musik ist es eben nicht getan. Social Video ist mehr als nur Technik. Social Video ist eine Kulturtechnik. Und um die zu erlernen, bedarf es mehr, als nur ein paar halbherzige Social-Media-Schulungen.

 

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10 Kommentare
  1. Jürgen S. schreibt:

    Für alles gibt es Vereine oder Parteien.
    Warum gibt es fast keine (kaum) Programmier Vereine oder Youtube Club ??? Wo man mit echten Menschen in Echtzeit das zusammen erarbeiten kann (und viel lernen)

    Wieso gibt es kein (kaum) Lehrfach für moderne Medien in der Schule ?

    denn nur so können wir mit der Welt mithalten durch unsere Kinder und den Kindern von Einwanderer die das Volk mal wieder jünger machen…..

    Jürgen S.

    • Richard schreibt:

      Das ist eine wirklich gute Frage.

  2. Stefan schreibt:

    Das sind eher dürftige Thesen. Nur weil Bandbreite zunehmend verfügbarer ist, heißt das im Umkehrschluss noch lange nicht das es zu lasten etwas „altem“ geht. Das Rezo-Video ist ein gutes Beispiel: hier wird eine Wirkung angenommen die überhaupt nicht messbar und höchstwahrscheinlich auch nicht signifikant ist. In Schriftform hätte das Video nicht ~1h Zeit sondern nur 5min gekostet, die interessanten Sachen waren ja auch nur in den Links.

    Die Annahme das „keiner mehr liest“ fügt sich in eine lange Reihe von nervigen kultur-pessimistischen Thesen ein (Kostprobe: ebook tötet Bücher also liest keiner mehr, Fernsehen verblödet, Tonfilm ist Kitsch, …). Richtig ist: Menschen nutzen verschiedene Quellen und nehmen statt kurzer Komprimierter Information auch einmal längere Videos in Kauf. Das ist aber kein game-changer sondern es verändern sich nur die Protagonisten (so wie manche Stummfilmstars im Tonfilm keinen Fuß fassen konnten).

    Ein Beispiel: Ändert sich die message wenn statt einer Textnachricht über whatsapp eine Sprachnachricht kommt? Oder ggf. ein Video? Nein, es dauert nur länger die Nachricht zu erfassen dafür kommen weitere Meta-Informationen wie stockender Vortrag, Nervösität beim sprechen dazu die hilfreich oder ablenkend sein können.

    Was sich am Ende durchsetzt entscheiden die Menschen nicht auschließlich nach verfügbarer Technik, nicht umsonst hat sich bis heute die Bildtelefonie nicht durchgesetzt und die E-Mail wurde auch schon millionen mal tot gesagt.

    • Richard schreibt:

      Gerade die Beispiele, die Du anbringst, sprechen doch FÜR meine Thesen. Der Tonfilm HAT sich gegenüber dem Stummfilm durchgesetzt. Das Fernsehen gegenüber dem Theater. Das Internet ist gerade dabei, dem TV den Rang abzulaufen. Und nein: E-Mails haben seit WhatsApp und Co durchaus an Bedeutung verloren und nein: Menschen telefonieren auch immer selbstverständlicher mit Bild/Facetime. Das mag in der Masse (Datentarife/Durchsatz) noch nicht viel sein, aber die Tendenz ist eindeutig.

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