In einem überraschenden Urteil hat der EuGH den freien Datenaustausch zwischen der EU und den USA für unzulässig erklärt. Nur einen Tag später kassierte das Bundesverfassungsgericht die staatliche Bestandsdatenauskunft.

Fünf Jahre nach dem „Safe Harbor“-Abkommen hat der EuGH jetzt auch die Nachfolgeregelung für den freien Datenaustausch zwischen der EU und den USA für unzulässig erklärt. Der sog. „Privacy Shield“ sollte EU-Bürgern garantieren, dass ihre Daten auch in den USA vor fremden Augen sicher sind. 

Weil US-Behörden als Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 de facto unkontrolliert Zugriff auf die Server von Facebook, Google oder Microsoft haben, erklärten die Richter den freien Datentransfer zwischen der EU und den USA für unzulässig. Nur einen Tag später kassierte das Bundesverfassungsgericht mehrere Regelungen zur Bestandsdatenauskunft.

Im Grundsatz geht es in beiden Entscheidungen um die Frage, wer über persönliche Nutzerdaten verfügen darf: Konzerne, Behörden oder die Nutzer selbst? In Deutschland haben Polizeibehörden schon heute weitreichenden Zugriff auf sog. Bestandsdaten, etwa: wer, wann, mit wem, wie oft und wie lange telefoniert hat. 

Aber auch in der Cloud gespeicherte Passwörter für Fotogalerien oder Social Networks fallen darunter. 2018 erfolgten 14 Millionen Bestandsdatenzugriffe von Behörden-PCs – im Schnitt alle 2 Sekunden. Was solche Abfragen für Folgen haben können, erleben wir gerade beim Polizeiskandal in Hessen um die NSU-Morddrohungen an Journalistinnen und Politikerinnen.

Mit Verweis auf die Strafverfolgung predigen Sicherheitspolitiker gerne, das Internet dürfe kein rechtsfreier Raum sein. Im Umkehrschluss aber zu verlangen, dass Konzerne und Behörden grundsätzlich Zugang auf Nutzerdaten haben sollen, gleicht totalitären Systemen, nicht aber einem Rechtsstaat. Übertragen auf die physische Welt würde das bedeuten, private Telefonate dürften vom Staat per se mitgeschnitten, Briefe geöffnet, fotokopiert und archiviert werden. 

Bei dem EuGH-Urteil geht es nicht um die gezielte Strafverfolgung von Kriminellen. Es geht um das massenhafte Abfischen intimster Daten und privater Unterhaltungen von arglosen Bürgern auf Verdacht. Otto Schily war der erste deutsche Bundesinnenminister, der in der rot-grünen Koalition die Unschuldsvermutung mit einem Handstreich über den Haufen warf: „Wer nichts zu verbergen hat, hat nichts zu befürchten“. Eine Umkehrung eines der höchsten Rechtsprinzipien westlicher Demokratien.

Keiner weiß, wer in 5 Jahren Innen- oder Justizminister in Deustchland sein wird. Demokratien sind verwundbar, dazu müssen wir nicht in die Türkei oder nach Amerika schauen. Wer meint, wir seien immun gegen problematisches Personal in Spitzenpositionen, der sollte sich doch einfach mal zurück erinnern, wer bis vor kurzem noch Chef der mächtigsten Geheimdienstbehörde unseres Landes war.

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